Oper

Der fliegende Holländer

Richard Wagner

Romantische Oper in drei Akten Libretto vom Komponisten

Premiere 15. Juni 2013

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Termine

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  • Werkeinführung (kostenlos)
  • 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Opernkeller
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      Stück-Info

      Zahllose Legenden ranken sich um die Gestalt des zur ewigen Wanderschaft verfluchten, fliegenden Holländers, der erst Ruhe findet, wenn ihm eine Frau Treue bis in den Tod hält. Senta, die in ihrer dörflichen Heimat auf ein perspektivloses Schicksal als Hausfrau und Mutter zusteuert, glaubt sich ausersehen, den Fluch zu brechen. Oder hofft sie vielmehr auf den Fremden, damit er sie aus der Enge ihres Lebens befreit? 1843 in Dresden uraufgeführt, ist »Der fliegende Holländer« Richard Wagners erste romantische Oper. Die Regisseurin Florentine Klepper nimmt in ihrer Inszenierung den Blickwinkel Sentas ein und erzählt in einem magischen Traumspiel von ihrer Emanzipation von Vater, Verlobtem und den sie erstickenden gesellschaftlichen Konventionen. 

      Handlung

      Erster Aufzug
      Der Seemann Daland ist mit seiner Mannschaft kurz vor der Ankunft in der Heimat in einen Sturm geraten und beschließt, am Land das Ende des Unwetters abzuwarten. Er schickt seine Männer zur Ruhe. Nur der Steuermann soll Wache halten, schläft aber nach kurzer Zeit ein. Ein Mann erscheint: Es ist der fliegende Holländer, der seinen Namen erhalten hat, weil er vor Urzeiten trotz widriger Winde unbedingt ein Kap umsegeln wollte und, als er zu scheitern drohte, schwor, bis in Ewigkeit nicht von diesem Plan abzulassen. Seitdem ist er verflucht und muss bis ans Ende der Zeit auf dem Meer umherirren. Nur eine Chance hat er, diesem Schicksal zu entkommen: Alle sieben Jahre darf er an Land, um eine Frau zu finden, die ihm bedingungslose Treue hält. Dieser Zeitpunkt ist jetzt wieder gekommen. Daland entdeckt den Holländer und erzählt ihm im Gespräch, dass er eine Tochter, Senta, habe. Der Holländer wünscht sich Senta zur Frau, bittet Daland um seine Gastfreundschaft und bietet dafür nie gesehene Schätze. Schnell sind beide handelseinig. Der Sturm hat sich gelegt, Daland kehrt nach Hause zurück, der Holländer folgt ihm.

      Zweiter Aufzug
      Senta unterscheidet sich von den anderen Mädchen des Dorfes. Während diese nach einem soliden Eheglück streben, ist Senta seit ihrer Kindheit von der Geschichte des fliegenden Holländers fasziniert, die ihr ihre Amme Mary immer wieder erzählt hat. Erik, ein Jäger, liebt Senta schon lange. Er hat mitbekommen, dass Daland zurückgekehrt ist, und bedrängt Senta, ihren Vater um die Zustimmung zur Hochzeit zu bitten. Aber Senta ist vom Schicksal des Holländers wie besessen. Zur Warnung erzählt Erik Senta einen Traum, in dem sie einem fremden Seemann begegnet. Senta jedoch sieht diesen Traum als Zeichen, dass ihr Wunsch, den Holländer zu erlösen, in Erfüllung gehen wird. Daland stellt Senta und den Holländer einander vor. Beide sind sofort dem anderen verfallen. Der Holländer kann kaum glauben, dass Senta wirklich bereit ist, ihn zum Mann zu nehmen, doch Senta schwört ihm Treue bis zum Tod. Sie werden von Daland unterbrochen, der die Verlobung Sentas mit dem Holländer feiern möchte.

      Dritter Aufzug
      Die Rückkehr der Matrosen und die Ankündigung der Verlobung ist Anlass für ein Fest, das außer Kontrolle gerät. Erik stellt Senta zur Rede und ruft ihr gemeinsame Erlebnisse in Erinnerung. Der Holländer hört dieses Gespräch und ist nun überzeugt, dass Senta nicht zur Treue fähig ist. Er wendet sich zur Abreise. Senta beweist, dass sie ihr Versprechen hält.

      Werkeinführung

      1843 wurde Richard Wagners romantische Oper »Der fliegende Holländer« in Dresden unter dem Dirigat des Komponisten uraufgeführt. Seither gehört das Werk zum Stammrepertoire der Semperoper. Chefdramaturg Johann Casimir Eule führt in die Oper, ihre Entstehung und vor allem in die spannende Neudeutung von Regisseurin Florentine Klepper ein, die in einem Akt emanzipatorischer Umdeutung den rastlosen Fliegenden Holländer zur Erlöserfigur für Senta werden lässt.

      Porträtzeichnung des Chefdramaturgen Johann Casimir Eule
      Johann Casimir Eule, Chefdramaturg; Zeichnung nach einem Foto von Ludwig Olah

      Interview

      Von der Fähigkeit, seinen eigenen Weg zu gehen

      Florentine Klepper (Regie) und Martina Segna (Bühnenbild) über »Der fliegende Holländer«

      Die Geschichte von »Der fliegende Holländer« scheint auf den ersten Blick ganz einfach: Ein Seefahrer besteht darauf, trotz Sturms ein Kap zu umsegeln, und droht damit, es notfalls bis in alle Ewigkeit zu versuchen. Ist so ein Verhalten heute wirklich noch ein Problem?

      Florentine Klepper Wir haben es mit einer Sage zu tun, in der ein Mensch es wagt, Gott herauszufordern, und damit den Platz, der ihm im Universum zugeteilt ist, anzweifelt. Als Folge dieses Machtkampfes verliert er sein Menschsein und ist dazu verdammt, ewig zu leben. Erlösung ist nur möglich, wenn er eine Frau findet, die ihm die Treue bis in den Tod hält. Dadurch würde er wieder menschlich und könnte sterben.

      Martina Segna Der Holländer interessierte uns als Figur, aber auch der Mythos, der ihn umgibt, die Geschichte, die sich Generation um Generation wieder erzählen. Er scheint eine Urangst oder Ursehnsucht in uns zu berühren.

      Florentine Klepper Es ist dieser unbezwingbare Wille, dieser Freiheitsfanatismus, seinen eigenen Weg zu gehen, der dann umschlägt in einen Fluch, nicht mehr ankommen zu können. Das ist das Faszinierende an ihm: Auf einmal überwiegt der Wunsch nach Heimat. 

      Trotzdem haben wir uns aber in der Auseinandersetzung auch sehr an dem Stück gerieben, insbesondere an den Szenen des Stückes, die mit Wagners Lieblingsthemen »Treue« und »Erlösung« zu tun haben. Es gibt unterschiedliche Lesarten, was Wagner mit der Formulierung »treu bis in den Tod« genau meint.

      Florentine Klepper Auf der Stückebene und im Kontext der Entstehungszeit würde ich den Treuebegriff eng auslegen, ich denke, damit ist sowohl Jungfräulichkeit als auch eheliche Treue bis hin zum gemeinsam herbeigeführten Tod gemeint. Es muss etwas Unverrückbares sein, dieser Preis, den der Holländer fordert, sonst wäre er nicht so lange daran gescheitert. Der Holländer erwartet von Senta, dass sie bereit ist, sofort mit ihm zu sterben.

      Martina Segna Daran haben wir uns sehr gebissen! Wir haben diese Bedingung nicht als heutig empfunden.

      Florentine Klepper Wenn wir uns heute den Raum geben zu sagen, bedingungslose Treue heißt füreinander einzustehen – wobei jedes Paar für sich selbst bestimmt, wie es das konkret auslegt – dann ist das Thema aktueller denn je! Wenn Treue aber nur das Opfer der Frau einfordert, es kein gegenseitiges Agreement ist, handelt es sich um eine Form von Selbstaufgabe.

      Bei Wagner lautet die Regieanweisung: »Im Glührot der aufgehenden Sonne sieht man über den Trümmern des Schiffes die verklärten Gestalten Sentas und des Holländers sich umschlungen haltend dem Meere entsteigen und aufwärtsschweben.« Ich denke, Senta geht schon davon aus, mit ihrem Tod eine bessere Zukunft – oder überhaupt eine – für sich und den Holländer herbeizuführen. Die Frage ist nur, was heute eine Übersetzung dafür sein könnte? Der Himmel? Ein anderes politisches System?

      Florentine Klepper Die Frage nach der Übersetzung setzt für mich noch eine andere voraus, nämlich, ob es eine gemeinsame Erlösung überhaupt geben kann. Wird der Holländer erlöst, ist Senta tot. Stirbt Senta nicht, muss der Holländer weiterleben. Dieses Dilemma steht einer eindeutigen Übersetzung erst einmal im Weg.

      Was war dann konkret der Ausgangspunkt für die jetzige Konzeption?

      Florentine Klepper Zum einen waren das die Figuren. Da wir Senta als »normale« Frau, nicht als Kranke oder Psychopathin, und gleichzeitig den Holländer als eine mythische Gestalt erzählen wollten, lag es nahe, die Geschichte aus Sentas Sicht anzulegen. Der Holländer als Projektion entspringt dabei ihrer Fantasie, genährt durch Erzählungen aus der Kindheit.

      Martina Segna Dazu kam natürlich die Herausforderung mit dem Erlösungsschluss. 

      Florentine Klepper Die Frage hat uns von Anfang an beschäftigt: Was genau verstehen wir unter Erlösung? Ich persönlich weigere mich, von Erlösung zu sprechen, wenn eine Frau dafür sterben muss. Also stand relativ bald die Frage im Raum, wie kann Senta überleben? Und was hat das für Konsequenzen? Wir haben uns daher entschlossen, die Geschichte aus der Perspektive der überlebenden Senta zu erzählen, und zwar in Form einer Rückblende …

      Martina Segna … aber keiner filmischen, sondern einer, die extrem verzerrt ist …

      Florentine Klepper … die sehr subjektiv ist, sehr weit zurückgeht. Das macht es möglich, dass Dinge auch ungereimt, unerklärt bleiben, weil sie schon lange her sind und man sie einfach in einer anderen Lebensphase abgespeichert hat. Wir haben uns überlegt, was der Grund sein könnte, dass jemand an den Ort zurückkehrt, von dem er weggegangen ist, und uns entschieden, vor den Beginn der Handlung das Begräbnis Dalands zu setzen. Sei es gesellschaftliche Konvention oder kindliche Sehnsucht nach Versöhnung – Senta bewegt sich noch einmal an den Ort ihrer Kindheit zurück.

      Martina Segna Wir haben die Handlung an die Küste verlegt, an einen Ort, den sie in ihrer Kindheit oft besucht hat. Sie hat eine Verbindung zu dieser Landschaft, die für sie Heimat und Sehnsuchtsort zugleich ist.

      Florentine Klepper Durch die starken Gefühle, die sie bei der Beerdigung erlebt, verliert sie sich in Erinnerungen, gerät in einen alb-traumhaften Zustand. Wahres und Empfundenes verschränken sich.

      Martina Segna Auf der Bildebene bedeutet dies, dass sich alles aus dem Ausgangsbühnenbild – der Landzunge – entwickelt, alle anderen Elemente entstehen aus diesem Raum. Die Bilder ihrer Erinnerung sind verzerrt, fragmentarisch, angedeutet, nicht wirklich fertig ausformuliert. Die Proportionen sind verschoben, Zeitebenen vermischen, Figuren verselbstständigen sich.

      Florentine Klepper Wir erzählen den ersten Aufzug aus der Sicht der Kinder-Senta, den zweiten aus der einer jungen Frau und den dritten aus der Perspektive einer Braut, die kurz vor der Hochzeit steht.

      Wieso wollte Senta ihren Herkunftsort verlassen?

      Florentine Klepper Das hat verschiedene Gründe.

      Martina Segna Es fällt auf, dass sie keine Mutter hat.

      Florentine Klepper Zur Entstehungszeit der Oper war es nicht ungewöhnlich, dass der Vater einen sehr wohlhabenden Bräutigam für seine Tochter suchte. Aber in der heutigen Übersetzung macht dieses Verhalten es meiner Meinung nach fast unmöglich, Daland als sympathische oder empathische Figur zu erzählen. Es wirkt fast so, als würde er seine Tochter verkaufen, und das wiederum lässt Rückschlüsse auf ein gestörtes Vater-Tochter Verhältnis zu bzw. gibt Einblick in die Gemeinschaft, in der Senta lebt. Hier hat sich die Rezeption ganz stark geändert. Senta ist unfähig, sich in dieser Gemeinschaft zurechtzufinden. So fremd, wie ihr die Männerwelt ist, bleiben ihr auch die weiblichen Vorbilder, die funktionieren und letztendlich von ihr erwarten, sich einzureihen. In der Umgebung hält sie erstaunlich mutig und standhaft an der Idee einer anderen Liebe, eines anderen Lebensmodell fest.

      Ist der Holländer für Senta die große Liebe?

      Florentine Klepper Der Holländer ist durch sein Verhältnis zur Freiheit für Senta eine absolute Identifikationsfigur. Die Liebe passiert ihr, ist nicht Ziel.

      Martina Segna Der Holländer ist Begleiter in der kritischen Phase …

      Florentine Klepper … als es darum ging, sich von der eigenen Familie abzunabeln. Deswegen haben wir uns dafür entschlossen, die Geschichte in eine Zeit zu verlegen, als es noch nicht selbstverständlich war, dass Frauen alleine leben, sondern der Weg aus der Familie direkt in die Ehe führte. Senta braucht den Holländer, um vom Vater loszukommen. Doch dann trennt sie sich vom Absolutheitsanspruch des Holländers, um bei sich selbst anzukommen. Der Erlösungsschluss steht bei uns für die Emanzipation Sentas, die Fähigkeit, jetzt ihren eigenen Weg zu gehen.

      Martina Segna Eigentlich haben wir in unserer Version fast zwei Erlösungen, sie verlässt zweimal den Ort ihrer Kindheit. Beim ersten Mal – das wir nicht zeigen, aber voraussetzen – ist es eine Flucht, beim zweiten ein Friedenschließen mit der als negativ empfundenen Kindheit.

      Die Fragen stellte Sophie Becker

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