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Neue Musik Paul Aron

Konzert mit einem Begleitwort von Dr. Agata Schindler

Zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945

Veranstaltung liegt in der Vergangenheit

Termine

Feb
2024

Info
  • Beginn: 20:00 Uhr

  • Ort: Semper Zwei

  • Die Abendkasse in Semper Zwei öffnet 30 min vor Vorstellungsbeginn.

    Stück-Info

    Die Soiree mit Solist*innen der Semperoper und unter der Musikalischen Leitung von Johannes Wulff-Woesten erinnert an das reiche Wirken des Dresdner Komponisten, Pianisten und Dirigenten Paul Aron (1886-1955) und seines Umfeldes. Paul Aron brachte allein in seiner Konzertreihe »Neue Musik Paul Aron« von 1921-30 mehr als 200 Werke zeitgenössischer Komponisten in seiner Heimatstadt zur Aufführung, 1933 folgte die erzwungene Emigration. Und so beinhaltet das Programm nicht nur Werke Paul Arons, wie »In Memoriam« – Drei Lieder auf Gedichte von William Butler Yeats oder seine Vertonungen von Hermann Hesse Gedichten »Vier Herbstlieder« sondern vor allem auch Werke seiner Zeitgenossen wie z.B. die »Jazzettes für Violine und Klavier« von Louis Gruenberg, Chansons von Mischa Spoliansky und von Wilhelm Grosz »Jazzband für Violine und Klavier«. Die Musikwissenschaftlerin Dr. Agata Schindler führt wie bereits bei »Eine winzige Träne« kenntnisreich durch das Programm und beleuchtet ein vergessenes Kapitel der reichen Dresdner Musikgeschichte.

    Das Programm kann nachfolgend ausgeklappt werden.

    Programm

    Paul Aron (1886–1955)
    In Memoriam
    Three Songs (für hohe Stimme und Klavier), Texte von William Butler Yeats:
    The Lover pleads with his Friends for Old Friends
    Aedh Wishes fort he Cloths of Heaven
    When You are Old

    Louis Gruenberg (1884–1964)
    Jazzettes für Violine und Klavier:
    Allegretto grazioso
    Lento sostenuto
    Allegro ritmico

    Paul Aron
    Vier Herbstlieder für Mezzosopran und Klavier, Texte von Hermann Hesse:
    Der stille Hain
    Liebesmüde
    Dass ich so oft …
    Ich habe nichts mehr zu sagen …

    Mischa Spoliansky (1898–1985)
    Nr. 9 Chanson und Leitsatz Marie »Sei zu jedem liebenswürdig« aus »Wie werde ich reich und glücklich?«, Text von Felix Joachimson

    Paul Aron
    Blue Arabesque
    Chimes
    Berceuse

    Wilhelm Grosz (1894–1939)
    Jazzband für Violine und Klavier

    Paul Aron
    Zwei Lieder nach Gedichten von Christian Morgenstern (für eine Bassstimme und Klavier):
    Es ist Nacht …
    Nimm an, es gäbe einen Himmelsherrn …

    Konzertreihe

    »Neue Musik Paul Aron«

    Anlässlich des 100. Jubiläums der beeindruckenden Dresdner Konzertreihe und des 135. Geburtstages von Paul Aron (1886, Dresden – 1955, New York)

    Als Paul Aron als 69-jähriger in New York starb, sendete der New Yorker Rundfunk anlässlich seines Todes einen Nachruf verfasst von Olin Downes, dem ersten Kritiker der Tageszeitung »New York Times«. Außerdem wurde in Gedenken an Paul Aron Verdis »Requiem« ausgestrahlt.

    Das war eine große Anerkennung des 1886 in Dresden geborenen Pianisten, Dirigenten, Veranstalters, Bearbeiters, Lehrers, Übersetzers und des Komponisten Paul Aron. Dagegen ist seine Eingliederung in die Musikgeschichte bei uns eigentlich bis heute längst überfällig. Es ist verwunderlich, dass seine Verdienste mit Ausnahme von einigen Zeilen in der neuen Enzyklopädie »Die Musik in der Geschichte und Gegenwart«, bis Ende des 20. Jahrhundert keinen würdigen Platz in den Musiklexika fand, dass Paul Aron selbst 1998 in den Memoiren von Ernst Křenek »Im Atem der Zeit« im Namensregister noch als italienischer Dirigent und Pianist aufgeführt wurde. Dabei war sein Wirken – nicht nur in Dresden – revolutionär.

    In Oktober 1921 sprach der damals 35-jährige Paul Aron eine Einladung an die interessierte Öffentlichkeit aus, welche bis heute eine Einmaligkeit im Konzertbetrieb in Dresden, Deutschland aber auch weltweit, reflektiert: »Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass in Dresden die Schar derer die sich mit neuer Kunst auseinandersetzen wollen, sehr klein ist – sie vermag keinen unserer üblichen Konzertsäle nur annähernd zu füllen. Es schwebte mir daher zunächst vor, für diese Wenigen einmal im Monat während des Winters bei mir im Hause Neues zu musizieren. Wenn ich von dieser Idee Abstand nehme und den intimen kleinen Saal des Logenhauses für meine Nachmittage wähle, so tue ich das nicht zuletzt aus dem Optimismus, es möchten schließlich doch mehr Hörer werden, als mein Heim zu fassen vermag. Ich bringe in meinen Programmen nicht nur Gewagtes und Problematisches – was mir den Pulsschlag lebendiger Kunst zu haben scheint, erachtete ich der Aufführung wert. Andere Künstler sind mir in uneigennütziger Weise Mithelfer – auf die übliche Reklame zu verzichten und zum Mittel der Subskription zu greifen, veranlasst mich der Wunsch, die Eintrittspreise so niedrig ansetzen zu können, dass lediglich meine Unkosten gedeckt werden.« 

    Spätestens von diesem Moment an begann das einmalige Wirken von Paul Aron in der Dresdner, aber auch in der europäischen Musikgeschichte. Im Jahre 1925, nach fünfjähriger Existenz der Reihe »Neue Musik Paul Aron«, schrieb der in Dresden wirkende Musikhistoriker Richard Engländer in der Zeitschrift »Anbruch« über Arons Konzerte folgende Gedanken: »Die Bedeutung der bisherigen propagandistischen Wirksamkeit Paul Arons, die durch das völlige Hineinwachsen seines Pianistentums in Technik und Ausdruckformen der nachimpressionistischen Kammerkunst immer stärkeres Gewicht erhält, liegt für den reproduktiven und rezeptiven Teil der örtlichen Kunstpflege schon jetzt offen zutage. (...) Persönliche Initiative und Zielklarheit eines Einzelnen (...) haben hier in Dresden zuwege gebracht, was anderwärts mancher ‚Gesellschaft für neue Musik’ nicht recht gelingen will.«

    Vermutlich ist es weltweit niemandem anderen gelungen, mehrere Jahre lang dutzende Konzerte ausschließlich mit Werken zeitgenössischer Komponisten zu organisieren, diese in einer eigenen Reihe zu präsentieren, selbst in fast jedem der über 50 Konzerte als Pianist oder Dirigent mitzuwirken und mit zahlreichen zeitgenössischen Komponisten schriftliche sowie persönliche Kontakte zu pflegen.

    Konzerte der Reihe »Neue Musik Paul Aron« fanden von 1921 bis 1930 als private Veranstaltungen statt. Die ganzen Jahre kämpfte Aron als Organisator und Dramaturg mit Finanzierungsproblemen seiner Ideen. Er war mehr oder weniger auf die zugeteilten Subventionen der Stadt angewiesen und an die Bereitschaft von Interpreten, für minimale Gagen – die er mitunter auch aus eigener Tasche bezahlte – aufzutreten. Trotzdem gelang es ihm, viele wichtige Werke des 20. Jahrhunderts in Dresden als Ur- bzw. Erstaufführungen vorzustellen. Insgesamt stellte er etwa 200 Kompositionen der Neuen Musik vor. Er hat nach Dresden Kammermusik von Igor Strawinsky, Kurt Weill, Alban Berg, Anton Webern, Arnold Schönberg, Francis Poulenc, Ernst Krenek, Béla Bartók, Louis Gruenberg, Karol Szymanowski, Darius Milhaud, Eric Satie, Paul Hindemith und vielen anderen Komponisten gebracht.

    Im Exil in den USA, wo Aron ab 1941 gezwungenermaßen lebte, fing er an, selbst kontinuierlich zu komponieren. Er schuf unter anderem sechs bemerkenswerte Liederzyklen und insgesamt 22 Liedern. Diese entstanden auf Texte von Hermann Hesse, William Butler Yeats, Federigo García Lorca, Christian Morgenstern und Carl Sandburg. Ihre Verse hat Aron in den Originalsprachen Spanisch, Englisch und Deutsch musikalisch umgesetzt. Die Kompositionen liegen bis heute als Manuskripte vor. Arons musikalisch recht differenzierte Lieder sind eine Art von Referenzen an die Komponisten, die er während seines aktiven Lebens aufführte und schätzte. Zum Leitmotiv aller ist eine fesselnde Expressivität geworden. 

    Der Text basiert auf: Paul Aron. Ein bedeutender Protagonist der Neuen Musik. In: Agata Schindler. Dresdner Liste. Musikstadt Dresden und nationalsozialistische Judenverfolgung 1933-1945 in Wort und Bild. Ein Beitrag zur Dresdner Musikgeschichte. S. 17-37. Dresden 2003.

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