»Capriccio«, als Konversationsstück mit Musik untertitelt und 1942 in München uraufgeführt, wurde zur Summe von Richard Strauss’ kompositorischem Schaffen, seinem Abschied von der Oper und zeigt sein (ambivalentes) Beharren auf der Autonomie der...
Konversationsstück für Musik in einem Aufzug
Text von Clemens Krauss und Richard Strauss
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Premiere
8. Mai 2021
Kurz gefasst
»Capriccio«, als Konversationsstück mit Musik untertitelt und 1942 in München uraufgeführt, wurde zur Summe von Richard Strauss’ kompositorischem Schaffen, seinem Abschied von der Oper und zeigt sein (ambivalentes) Beharren auf der Autonomie der Kunst in Zeiten des Weltkrieges: In einem Rokokoschloss bei Paris verhandeln der Dichter Olivier, der Komponist Flamant und die Gräfin Madeleine nicht nur ihr erotisches Verhältnis zueinander, sondern gleich die – operngeschichtlich fundamentale – Frage, was wichtiger sei für die Oper: die Musik oder das Wort? Prima la musica, poi le parole? Was Richard Strauss dazu eingefallen ist, ist vom Feinsten und von übergroßem Beziehungsreichtum. Angefangen mit dem wunderbaren Streich-Sextett zu Beginn der Oper, über das dahinperlende Parlando, den scheinbar schwerelosen Gesprächston, Fuge, Sonett und Oktett bis hin zum poetischen Mondscheinstück und dem sentimental-ironischen Finale. Wie fragt die unentschiedene Gräfin zum Ende ihr Spiegelbild? »Kannst du mir helfen, den Schluss zu finden für ihre Oper? Gibt es einen, der nicht trivial ist?«
Handlung
Anlässlich der Vorbereitungen ihrer Geburtstagsfestlichkeiten hat die junge, verwitwete Gräfin Madeleine Flamand, einen Komponisten, und Olivier, einen Dichter, in ihr Schloss in der Nähe von Paris geladen. Beide beobachten, wie die Gastgeberin hingebungsvoll einem Streichsextett lauscht, das Flamand für sie komponiert hat. Musiker und Dichter lieben Madeleine und ereifern sich über die Frage, ob Wort oder Musik den Vorrang habe: »Prima le parole, dopo la musica oder Prima la musica, dopo le parole«. Theaterdirektor La Roche, der während des Konzerts geschlafen hat, hält nichts von solchen Auseinandersetzungen. Er ist auf dem Schloss, um ein Schauspiel von Olivier für die Festlichkeiten in Szene zu setzen. Madeleine tritt, begleitet von ihrem Bruder – dem Grafen –, dazu: Auch sie weiß nicht, welcher Muse sie den Vorzug geben, ob sie sich für Flamand oder Olivier entscheiden soll … Der Graf hat es da leichter, er liebt Clairon, eine berühmte Schauspielerin, die an diesem Tag zur Probe erwartet wird. Clairon trifft ein. Sie und der Graf wetteifern im wechselseitigen Rezitieren eines Sonetts aus Oliviers neuem Schauspiel. Flamand fühlt sich durch die Worte zum Komponieren inspiriert und enteilt, während Olivier die Gelegenheit nutzt, um der Gräfin (vergebens) eine Liebeserklärung zu machen. Flamand kehrt zurück und trägt Oliviers vertontes Sonett vor. Madelaine ist begeistert und nimmt es als Geschenk beider an. Olivier besucht die Einstudierung seines Stückes durch La Roche. Nun erklärt Flamand seinerseits Madeleine seine Liebe – und wird zu einem Rendezvous am nächsten Tag um elf Uhr in die Bibliothek bestellt. Nachdem sich alle wieder im Salon versammelt haben, präsentiert La Roche eine junge Tänzerin sowie ein italienisches Sängerpaar dem erlesenen Kreis. Die Diskussion um die Vorherrschaft der Künste flammt wieder auf: mit großer Emphase plädiert La Roche dafür, dass sich alle Künste auf der Bühne der Inszenierung unterzuordnen haben; außerdem fehle es an Werken, die echte und wahre Menschen darstellen. Der Graf macht zur Überraschung aller den Vorschlag: »Schildert euch selbst! Die Ereignisse des heutigen Tages – was wir alle erlebt –.« Flamand und Olivier erhalten den Auftrag, eine entsprechende Oper zu verfassen. Die Künstler sind begeistert und brechen zur Heimreise nach Paris auf, der Graf begleitet Clairon und Madeleine bleibt allein zurück. Als der Haushofmeister meldet, dass Olivier am folgenden Tag um elf in der Bibliothek auf sie warte, fällt ihr ein, Flamand um dieselbe Zeit dorthin bestellt zu haben; für wen soll sie sich entscheiden? »Wählt man einen, verliert man den anderen.«