Morgenroutine. Das Ich versucht sich in seinen Computer einzuloggen. Und wird lakonisch von der Maschine mit der Frage nach seinem Sein konfrontiert: »Not convinced you are not a robot. Please try again.
Uraufführung. Eine Artificial Intelligence Oper von phase7 performing.arts Berlin
Libretto von Christiane Neudecker
In deutscher und englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Premiere
3. September 2022
Kurz gefasst
Morgenroutine. Das Ich versucht sich in seinen Computer einzuloggen. Und wird lakonisch von der Maschine mit der Frage nach seinem Sein konfrontiert: »Not convinced you are not a robot. Please try again.« … »chasing waterfalls«, der Titel meint so viel wie »Unfassbares fassen wollen«, ist ein Uraufführungsprojekt des Künstlerkollektivs phase7 performing.arts Berlin und der Semperoper Dresden. Gemeinsam begibt sich das Kollektiv mit dem Komponisten Angus Lee (*1992) aus Hongkong sowie dem Studio for Sonic Experiences kling klang klong auf eine musiktheatrale Recherche über die Auswirkungen, die Künstliche Intelligenz für unser menschliches, soziales und kreatives Sein hat. Dem Ich gelingt übrigens das Einloggen in seinen Computer. Und es erlebt in der Konfrontation mit seinen digitalen Abspaltungen in den Tiefen des Virtuellen Überraschendes zwischen Lewis Carrolls »Alice im Wunderland« und Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum«. Und am Ende steht wie bei jeder guten Geschichte ein black.
Handlung
Ein ganz normaler Morgen sollte es sein: Aufstehen, Kaffee kochen, einloggen in den Rechner. Aber das System will die Identität des Ichs nicht anerkennen: »Not convinced you are not a robot – Sie sind nicht Sie selbst.« Nach mehreren Versuchen gelingt dem Ich der Eintritt in die digitale Welt. Doch die fehlgeschlagene Identifizierung wirft Fragen auf. Wer bewegt sich da wirklich innerhalb des Datensystems? Welcher Teil von uns beginnt sich zu verselbstständigen? Was suchen wir? Und welches Echo hat das Digitale in der Realität?
Gemeinsam mit dem Abbild des Ichs werden wir in das Innere der Artificial Intelligence (AI) gesogen: eine virtuelle Spiegelwelt, in der ganz eigene Regeln gelten. Das Ich begegnet dort den Ausfaltungen der eigenen Persönlichkeit: der Suche nach dem Glück, dem Wunsch nach Erfolg, dem Spieltrieb, dem Zweifel, dem Schein. Es sind die selbsterschaffenen »digital twins«, die hier als selbstständige Persönlichkeiten agieren – und sich schließlich sogar gegen das Ich verbünden.
Das ist der Moment, in dem die AI selbst in das Geschehen eingreift. Sie zeigt sich als Sphinx und als Bewahrerin, als Mausoleum, in dem das Ich nach dem eigenen Ableben erhalten werden wird. Sie beschwört die Vorteile der virtuellen Doppelungen: »Mit uns bist die nie allein.« Eine Störung im System aber offenbart die Künstlichkeit der einprogrammierten Figuren. Sie beginnen zu »glitchen«: ihre Worte zerfallen zu sinnfreiem Buchstabensalat, gegen den das Ich bis zur Erschöpfung ankämpft. Es kommt zum Ruhezustand für alle. Im Schlaf träumt die AI von ihrer eigenen, selbstbestimmten Identität: sie dichtet und komponiert sich an jedem Abend eine neue Traumverlorenheit, in der sie selbst als eigenverantwortliche Existenz handeln und leben kann.
Mit Bildern und Daten lockt die AI die virtuellen Figuren zurück ins Erwachen. Sie strömt funkelndes Wissen aus, das alle – bis auf das Ich – in seinen Bann schlägt. Profilbilder der Zuschauer gehen in den digitalen Strom ein: Wirklichkeit und Digitalität verschwimmen immer mehr. Im finalen Bild greift die Virtualität auch räumlich weit in die Wirklichkeit ein. Die AI beweist sich als übermächtige Verrätselung, die die digitalen Zwillinge als codiertes Sprachrohr nutzt. Wird es dem Ich gelingen, sich als realer, denkender Mensch in den sich auflösenden Grenzen zu behaupten?