Im Rausch des Klanges

Eine biografische Annäherung an die große Komponistin Kaija Saariaho

Ihre Orchester- und Musiktheaterwerke werden weltweit in bedeutenden Konzertund Opernhäusern aufgeführt, sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen – darunter einen Grammy Award, den Polar Music Prize und den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk – und gehört damit zu den erfolgreichsten und meistgespielten Komponistinnen unserer Zeit: Kaija Saariaho.

Geboren 1952 in Helsinki, spielt sie bereits als Kind Violine und Klavier und beginnt mit elf Jahren zu komponieren. Da sie erst am Beginn ihrer Karriere steht und es an weiblichen Vorbildern mangelt, studiert sie zunächst Malerei und Zeichnen an der Kunstgewerblichen Hochschule in Helsinki, bevor sie 1976 schließlich dann doch ein Kompositionsstudium bei Paavo Heininen an der Sibelius-Akademie aufnimmt. Als junge Frau hat sie gegen allerlei Vorurteile ihrer männlichen Kollegen zu kämpfen. Dennoch verfolgt sie unbeirrt ihren Weg – bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik lernt sie Brian Ferneyhough kennen und setzt in den 80er-Jahren ihr Studium bei ihm und bei Klaus Huber in Freiburg im Breisgau fort. 1982 verlagert Kaija Saariaho ihren Lebensmittelpunkt nach Paris, wo sie bis zu ihrem Tod im Juni 2023 lebte. Dort begegnet sie der Musik der „spectralists“ und beschäftigt sich am Institut IRCAM intensiv mit Tonband und Live-Elektronik. Die computergestützte Musik spielt seitdem eine große Rolle in ihren Werken.

Ihre Musik lebt von raffinierten Klangfarben und traumhaften Stimmungen, ist zart, filigran und zugleich sehr ausdrucksstark.

Durch Arbeiten wie Verblendungen, Lichtbogen oder Graal théâtre wird sie zunehmend international bekannt – ihr Hauptinteresse liegt auf dem Klang, den sie nach eigenen Aussagen „unter ein Mikroskop“ legt und der den Ausgangspunkt ihrer Kompositionen bildet. Sie entwickelt ihre ganz eigene Sprache: Ihre Musik lebt von raffinierten Klangfarben und traumhaften Stimmungen, ist zart, filigran und zugleich sehr ausdrucksstark. Darüber hinaus werden ihre Werke durch ihre synästhetische Wahrnehmung geprägt: „Es gibt bestimmte Klänge in meinem Kopf, die in mir – ohne dass ich es forcieren würde – Lichter und Farben auslösen. Ich denke sozusagen mehr cineastisch – und das möchte ich dann in meiner Musik umsetzen.“

Ihre erste Oper L’amour de loin (Die Liebe aus der Ferne), 2000 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, wird ein durchschlagender Erfolg. Sie erhält den Grawemeyer Award und komponiert weitere Musik- theaterwerke: darunter Adriana mater (2006), Émilie (2010) über die französische Physikerin und Philosophin Émilie du Châtelet, Only the Sound Remains (2016), das auf japanischen Nō-Theatertexten basiert, und ihre fünfte und letzte Oper Innocence, die am 3. Juli 2021 im Rahmen des Festivals d’Aix-en-Provence uraufgeführt wird.

Oftmals inspiriert von literarischen Vorlagen sind es vor allem aktuelle, universelle Themen, die Kaija Saariaho interessieren, und die Innenwelten der Figuren: „Es ist immer der innere Raum, die innere Welt, die mich interessiert. Und ich denke, das wirklich Interessante an einer Oper ist, wenn man etwas schreibt, das real ist, das uns alle berührt.“