Entstehungsgeschichte
Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss, »Die Frau ohne Schatten« und Dresden
1899 Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss lernen sich in Berlin kennen, woraufhin im folgenden Jahr ein Treffen in Paris stattfindet, aus dem Pläne über eine Zusammenarbeit für ein Ballett erwachsen. Diese Idee wird nicht realisiert, doch beide Künstler versprechen sich viel von einer gemeinsamen Arbeit.

25. Januar 1909 »Elektra« wird als erste Zusammenarbeit der beiden Künstler an der Königlichen Hofoper Dresden uraufgeführt. 1906 hatte Strauss die Berliner Aufführung von Hofmannsthals Dramenversion besucht und sogleich eine Adaption des Textes für die Opernbühne in Betracht gezogen.
26. Januar 1911 Uraufführung von »Der Rosenkavalier«, der zweiten Zusammenarbeit Strauss’ und Hofmannsthals, an der Königlichen Hofoper Dresden. Die musikalische Leitung liegt in den Händen Ernst von Schuchs, die Ausstattung verantwortet Alfred Roller und die Regie führt Georg Toller, der allerdings als »Schattenregisseur« den aus Berlin hinzugezogenen Max Reinhardt neben sich dulden muss. Die Hinwendung zu einer gegenüber »Elektra« deutlich schlankeren Orchestrierung deutet auf eine stärker textorientierte Kompositionsweise hin, die auch »Die Frau ohne Schatten« auszeichnen soll.
Frühjahr 1911 Tagebucheintrag Hofmannsthals: »Die Frau ohne Schatten, phantast. Oper« mit einem ersten Handlungsabriss. Bei einem Treffen zu Proben von »Der Rosenkavalier« im April finden Gespräche zum neuen gemeinsamen Projekt statt. Dieses soll sich als die aufwändigste Zusammenarbeit herausstellen und acht Jahre bis zur Uraufführung benötigen.
Sommer 1911 Obwohl Strauss auf die Auseinandersetzung mit »Die Frau ohne Schatten« drängt, arbeiten Komponist und Dichter zunächst vor allem an »Ariadne auf Naxos«.
Frühjahr 1912 Die Arbeit an »Die Frau ohne Schatten« wird von einer Schaffenskrise Hofmannsthals gebremst. »Die Phantasie [ist] ganz tot«, klagt er im April und schlägt Strauss im Juni das Ballett »Josephs Legende« als weitere Zwischenarbeit für die stockende Entwicklung des Opernprojekts vor.
25. Oktober 1912 »Ariadne auf Naxos« wird, als somit dritte Oper Strauss’ und Hofmannsthals, in Stuttgart uraufgeführt. Die kleine Orchesterbesetzung spiegelt den wachsenden Einfluss Hofmannsthals auf den Stellenwert des Textes wider.

Sommer 1913 Im April verbringen Strauss und Hofmannsthal eine gemeinsame Italienreise und fahren mit Auto und Chauffeur von Verona über Bologna und bis nach Rom. In dieser fruchtbaren und einzigen Zeit, in welcher die beiden mehrere Tage in Folge miteinander verbringen, nimmt die Handlung von »Die Frau ohne Schatten« klare Züge an. Am 25. Oktober 1913 vermeldet Hofmannsthal die Fertigstellung des 1. Aktes und Strauss beginnt im April des folgenden Jahres mit der Vertonung.
Mai 1914 Mit dem Fortschreiten der Komposition – die Partitur des 1. Aktes ist im Juni beendet – wird nun auch der Bühnenbildner Alfred Roller in die Konzeption involviert.
14. Mai 1914 In Paris wird das Ballett »La Légende de Joseph« (»Josephs Legende«) von Serge Diaghilevs Ballets Russes in der Choreographie von Michail Fokine uraufgeführt.
28. Juli 1914 Mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien beginnt der Erste Weltkrieg. Im Rahmen der Teilmobilmachung muss Hofmannsthal zur Armee einrücken, bleibt jedoch aus gesundheitlichen Gründen von einem Fronteinsatz verschont. Kurz zuvor beendet er den 2. Akt und beginnt noch mit ersten Skizzen zum 3. Akt der »Frau ohne Schatten«. Die Arbeitsmöglichkeiten wie auch der briefliche Austausch mit Strauss sind jedoch kriegsbedingt stark eingeschränkt.
26. Oktober 1914 Strauss vermerkt im Tagebuch die Fertigstellung der Komposition des 2. Aktes, der jedoch erst zwei Jahre darauf in Reinschrift vorliegen wird.
April 1915 Hofmannsthal sendet Strauss erste Szenen des 3. Aktes und dieser beginnt im Mai mit der Komposition. In Bezug auf die Gesamtdramaturgie werden umfangreiche Änderungen am Text vorgenommen. Aus Besorgnis über die Verständlichkeit der Handlung soll Max Mell mit einer Einführung im Programmheft betraut werden, die Hofmannsthal dann jedoch selbst verfasst. Erst im September kann Hofmannsthal Strauss die Schlussszenen senden.
28. Oktober 1915 Uraufführung in Berlin von »Eine Alpensinfonie« op. 64 mit der Königlichen Kapelle unter der Leitung des Komponisten: »Dem Grafen Nicolaus Seebach und der Königlichen Kapelle zu Dresden in Dankbarkeit gewidmet«. Die Arbeit an diesem Werk ist ihm eine willkommene Beschäftigung während des Krieges und des Wartens auf den Text des 3. Aktes von »Die Frau ohne Schatten« gewesen.
Juli 1916 Strauss tut sich schwer mit der Vertonung des 3. Aktes. Insbesondere die Figuren des Kaisers, der Kaiserin und der Amme muss er erst »mit roten Blutkörperchen« füllen. Aufgrund der nur eingeschränkten Kontaktmöglichkeit zu Hofmannsthal nimmt er die meisten Änderungen ohne Absprache selbst vor.
4. Oktober 1916 Uraufführung der zweiten, durchkomponierten Fassung von »Ariadne auf Naxos« am Wiener Hof-Operntheater.
24. Januar 1917 Dresdner Erstaufführung von »Ariadne auf Naxos« (zweite Fassung).
24. Juni 1917 Über sechs Jahre nach den ersten Gesprächen schreibt Strauss an Hofmannsthal: »Die Partitur der Frau ohne Schatten ist fertig«. Der kurzen Mitteilung folgt eine Rekapitulation der Arbeit am Werk, das eine Zeit entscheidender stilistischer und musikalischer Entwicklungen umgreift: »Ich danke Ihnen, dass Sie mir den Star gestochen…«
Mai 1918 Strauss’ umfangreiche Dirigiertätigkeit in Europa und den USA führt zu Unstimmigkeiten an der Berliner Hofoper und er verlässt das Haus. Er wird nun zum Direktor des Wiener Hof-Operntheaters ernannt. Im Dezember 1919 wird er das Amt gemeinsam mit Franz Schalk antreten.
11. November 1918 Mit dem Waffenstillstand von Compiègne endet der Erste Weltkrieg. Nun erst wird eine Aufführung der seit über einem Jahr fertigen Oper denkbar. Wien, die neue Wirkungsstätte von Strauss, wird als Ort der Uraufführung festgelegt.
10. Oktober 1919 Uraufführung von »Die Frau ohne Schatten« am Wiener Hof-Operntheater. Musikalische Leitung Franz Schalk, Regie Hans Breuer, Bühne und Kostüme Alfred Roller. Die Aufführung hat mit Schwierigkeiten vor allem der komplizierten Bühnentechnik zu kämpfen, doch Strauss ist erleichtert, die Geburt des »Schmerzenskindes« hinter sich gebracht zu haben »und gerade künstlerische Menschen halten es für mein bedeutendstes Werk«.


22. Oktober 1919 Nur zwölf Tage später folgt als zweite Einstudierung die deutsche Erstaufführung von »Die Frau ohne Schatten« am Dresdner Opernhaus. Musikalische Leitung Fritz Reiner, Regie Alexander d’Arnals, Bühne und Kostüme nach Alfred Roller (zur Premierenbesetzung siehe den Programmzettel).



16. März 1927 Zweite Neuinszenierung von »Die Frau ohne Schatten« an der Staatsoper Dresden. Musikalische Leitung Richard Strauss, Regie Otto Erhardt, Bühnenbild nach Alfred Roller.
13. Juli 1929 Der frühe und tragische Tod Hofmannsthals, in Folge eines Schlaganfalls nach dem Suizidtod seines Sohnes, beendet abrupt die langjährige Zusammenarbeit der beiden Künstler. Nach »Frau ohne Schatten« sind noch »Die Ägyptische Helena« und »Arabella« entstanden. Beide Werke sind an der Staatsoper Dresden uraufgeführt worden, erstere noch zu Hofmannsthals Lebzeiten 1928 und »Arabella« dann posthum 1933. Fünf Tage vor seinem Tod arbeitet Hofmannsthal noch an letzten Änderungen im Libretto zu »Arabella«. In einem Brief an Hofmannsthals Gattin schreibt Strauss aufs Tiefste betroffen: »Niemand wird ihn mir und der Musikwelt ersetzen«.
27. April 1939 Dritte Neuinszenierung von »Die Frau ohne Schatten« an der Staatsoper Dresden. Musikalische Leitung Karl Böhm, Regie Max Hofmüller, Bühne Adolf Mahnke und Kostüme Leonhard Fanto.
17. November 1996 Vierte Neuinszenierung von »Die Frau ohne Schatten« an der 1985 wiedereröffneten Semperoper. Musikalische Leitung Giuseppe Sinopoli, Regie Hans Hollmann, Bühne und Kostüme rosalie.

