Interview

Parallelwelt Asia-Restaurant

Ein Gespräch mit Regisseurin Barbora Horáková über die Oper von Peter Eötvös

Liebe Frau Horáková, vorne im Restaurant »Der goldene Drache« plaudern die Gäste, hinten in der Küche spielen sich Dramen ab. Ein Bild für die heutige Welt?

Barbora Horáková Wir leben in Zentraleuropa in einer Art Blase, in der es uns sehr gut geht. Aber auf der restlichen Welt ist nicht alles rosarot und viele Menschen riskieren ihr Leben für ein besseres. Unser Stück könnte wohl kaum aktueller sein. Wir sollten versuchen, andere Menschen zu verstehen und nicht gleichgültig sein gegenüber deren Schicksal und gegenüber der Tatsache, dass es Not, illegale Arbeit und Ausbeutung gibt, die Menschen in den Tod treiben.

Peter Eötvös’ Oper wurde 2014 uraufgeführt, Sie hatten sich bereits früher mit der Vorlage, Roland Schimmelpfennigs Drama von 2009, beschäftigt. Was hat Sie daran interessiert?

Barbora Horáková Ich fand die Geschichte von »Der goldene Drache« damals wie heute dringend und wichtig. Fasziniert haben mich an diesem Stück der Spaß am Spiel, das Sich-Hineinbegeben in das Schicksal anderer, die Tatsache, dass es allen Charakteren mal
gut und mal schlecht geht und natürlich die Idee, dass ein Schauspieler bis zu fünf verschiedene Rollen spielen kann. Als ich die Oper dann auch noch hörte, war ich begeistert! Alles ist präzise notiert und die Rollenwechsel vollziehen sich dank der Musik noch viel einfacher, denn die verschiedenen Emotionen der Charaktere sind in der Musik verankert.

Welche Menschen werden widergespiegelt?

Barbora Horáková Die Geschichte spielt ja in einem Thai-China-Vietnam-Restaurant und verdeutlicht, dass wir Europäer Menschen aus Asien oftmals alle über einen Kamm scheren. Die Frage ist: Wie weit reicht unser Interesse für die anderen und deren Probleme?

Wie realistisch muss man diese Oper auf die Bühne bringen?

Barbora Horáková Das Stück trifft im Text und in der Musik eine ganz klare Aussage, aber es bietet eben auch die Möglichkeit einer installativen Inszenierung, die die Dinge eher symbolisch und dezent andeutet. Ich möchte die Symbole aufnehmen und dennoch Menschen auf der Bühne zeigen. Die Bilder der äußeren Realität sollen in den Köpfen der Zuschauer entstehen. Deswegen war es mir auch wichtig, das Stück an keinem festen Ort zu verankern. Die Küche ist bei uns beispielsweise ein Turm. Ein Turm, der zugleich auch der Drache ist, ein Papierdrache, der die Kinder raus in die Welt schickt. Daran schließt sich die Frage an: Was ist »Der goldene Drache« eigentlich?