Die Kuh
Sind wir nicht alle manchmal ein bisschen Kuh?
Der Tänzer Christian Bauch über das Experiment, eine Kuh zu sein

Sind wir nicht alle manchmal ein bisschen Kuh? Ich habe noch nie in meinem Leben so oft probiert, wie eine Kuh zu denken oder zu fühlen. Klingt absurd, ist es wahrscheinlich auch. Und mit genau diesem Gedanken wird man in den Feierabend entlassen.
Gerade zu Beginn der Proben der Produktion gab es nur Fragezeichen für mich. Mir ist es häufig passiert, dass ich am Abend das Erlebte rekapituliert und voller Inspiration den nächsten Probentag begonnen habe, nur um dann festzustellen, dass ich mich wahrscheinlich noch weiter vom eigentlichen Konzept bzw. der Idee wegbewegt habe. Womöglich habe ich mich nur in meinem kleinen persönlichen Sonnensystem gedreht und es nicht geschafft, über den Tellerrand zu blicken. Aber durch die vielen offenen Fragen und Möglichkeiten wurde ich immer mehr mit mir selbst konfrontiert und sollte mich aus meiner persönlichen Komfortzone, aus meiner gewohnten Art herausbewegen. Frei machen von Erwartungen an mich selbst, zumindest während dieses speziellen Schaffensprozesses. So stellt man sein gewohntes Arbeiten, seine Ansichten auf den Kopf. Und: Man steht sich nicht mehr selbst im Weg. Super!
Jeden Tag ermutigte uns Alexander Ekman, ein Stückchen weiter über unsere persönlichen Grenzen hinauszugehen. Wir probierten Dinge in rasantem Tempo oder absoluter Stille, in einer Gruppe, in der der Beitrag eines jeden Einzelnen deutlich zu spüren ist. Durch die extremen Wechsel und unterschiedlichsten Anforderungen half uns Alex, uns von künstlichen Masken, von selbst auferlegten Mustern zu befreien. Ab einem gewissen Punkt blieb keine Zeit mehr, etwas künstlich zu entwickeln. Sei einfach du selbst! »Nothing moves a cow.«
Der Fokus liegt nun auf den wesentlichen Dingen. Alles Künstliche wird weggeblasen. Was übrig bleibt, ist jeder Einzelne von uns in seiner Einfachheit und Ehrlichkeit.
Es gibt nichts Schöneres, als durch seine Aufgaben zu wachsen. Ich muss diesem besonderen Choreografen danken, denn er hat mir die Möglichkeit gegeben, zu ein bisschen mehr Selbsterkenntnis zu finden. Auf eine mehr als ungewöhnliche Art und Weise. Ich hoffe, dass jeder an diesem Abend die Verführung des Theaters spüren kann. Und ich wünsche jedem einen gedankenvollen Abend, der das Absurde und das Schöne miteinander verbindet. Es erscheint nicht immer auf den ersten Blick verständlich, aber es lohnt, tief in sich selbst hineinzuhören.
Und wenn doch alles keinen Sinn ergibt, bleibt immer noch Variante zwei: locker, leicht, Cow!
Der Text stammt aus dem Programmheft »COW«.