Arabella in Dresden

»Arabella« in Dresden

Keine Frage: Die Uraufführung der »Arabella« sollte in Dresden stattfinden, an eben jenem Haus, an dem bereits fünf Opern von Richard Strauss das Rampenlicht der Bühnenwelt erblickt hatten, darunter auch die Erfolgsstücke »Elektra« und »Der Rosenkavalier«. Diese Erfolge verdankte Strauss nicht zuletzt seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal, der im September 1927 wiederum der erste Ansprechpartner für den Komponisten war:

»Aber jetzt habe ich nichts mehr zu arbeiten: total abgebrannt! Also bitte: dichten Sie! Es darf sogar ein ›zweiter Rosenkavalier‹ sein, wenn Ihnen nichts Besseres einfällt.« Aber Hofmannsthal fiel selbstverständlich etwas ein. Seine Novelle »Lucidor, Figuren zu einer ungeschriebenen Komödie« aus dem Jahr 1910 und das Lustspiel-Szenar »Der Fiaker als Graf« bildeten die Grundlage für »Arabella«. Nichtsdestotrotz hat das kongeniale Künstler-Duo um die neue Oper besonders lang gerungen. Nach so schonungslosen wie fruchtbaren brieflichen Diskussionen um die Textgestaltung schickte Strauss dem Dichter am 14. Juli 1929 schließlich ein Telegramm: »Erster Akt ausgezeichnet. Herzlichen Dank und Glückwünsche.« Hofmannsthal hat es nicht mehr gelesen. Am 15. Juli, dem Tag des Begräbnisses seines Sohnes, erlag er einem Schlaganfall. Tief erschüttert vom plötzlichen Verlust seines Freundes und unschätzbaren Mitarbeiters, komponierte Richard Strauss daraufhin den Text im bis dato existierenden Zustand – vollständige Entwürfe des zweiten und dritten Aufzugs lagen ihm bereits vor.

Im Herbst 1931 teilte Richard Strauss dem Musikdirektor der Dresdner Staatsoper Fritz Busch mit, dass die Oper fertig skizziert sei. Am 12. Oktober 1932 beendete Strauss die Partitur und widmete sie Fritz Busch und dem Intendanten der Oper Alfred Reucker. Richard Strauss war überzeugt davon, dass nur Reucker und Busch, der bereits »Intermezzo« und »Die ägyptische Helena« in Dresden aus der Taufe gehoben hatte, seine »Arabella« uraufführen konnten. Doch es kam anders, als Strauss es sich erhofft hatte. Während einer Vorstellung am 7. März 1933 vertrieben Mitglieder der NSDAP, die sich im Zuschauerraum befanden, Fritz Busch vom Dirigentenpult. Mit Unterstützung der sächsischen Parteileitung wurde er ebenso wie Alfred Reucker und weitere Mitglieder des Operndirektoriums seines Amtes enthoben. Im Folgenden weigerte sich Fritz Busch auch auf Zureden des ihm freundlich gesinnten NS-Reichsministers Hermann Göring, nach Dresden zurückzukehren, geschweige denn, dort die »Arabella« zu dirigieren.

Strauss’ erster Impuls auf diese Nachricht war, die Oper »wieder ins Kast’l« zu legen. Später dachte er über alternative Uraufführungsstätten nach, zum Beispiel die Bayerische Staatsoper, wie er mit dem dortigen Generalmusikdirektor und Intendanten Hans Knappertsbusch besprach. Schließlich entschied er sich doch für Dresden, wenn auch unter der Prämisse, dass Clemens Krauss von der Wiener Staatsoper die Premiere und Folgeaufführungen dirigieren würde. Auch bei der Besetzung behielt sich Strauss ein Mitbestimmungsrecht vor. Als Arabella ließ er Viorica Ursuleac kommen, als Mandryka Alfred Jerger, beide ebenfalls aus Wien. Regie führte Josef Gielen unter Beratung von Eva Plaschke-von der Osten.

Am 1. Juli 1933 fand die Uraufführung statt. Viorica Ursuleac erinnerte sich später daran:

»Nun kam das große Fest in Dresden: die Uraufführung der ›Arabella‹ von Richard Strauss! [...] Strauss selbst war bei allen Proben dabei, so dass er auch immer beratend eingreifen konnte. Das Theater blieb drei Wochen lang einfach geschlossen und es wurde vom frühen Morgen bis spät in die Nacht probiert. Alle, bis zum letzten Bühnenarbeiter, waren mit größter Begeisterung dabei, eine unvergessliche Zeit, und der Erfolg war wirklich sagenhaft! Das Werk hatte beim Publikum alle Erwartungen übertreffen. Nach dem Schwestern-Duett im 1. Akt wollte der turbulente Applaus kein Ende nehmen. Man hatte den Eindruck, die ganzen anwesenden Musikgrößen wünschten sich ein Da capo dieses Duetts. Die Vorstellung ging schließlich mit brausenden, nie gehörten Bravos zu Ende, und Strauss kam auf die Bühne in glückseliger Stimmung, umarmte uns alle und sagte: ›Jeder begnadete Komponist hat zu seiner Zeit auch begnadete Sänger!‹«

Text von Anne Gerber. Der vollständige Text ist im Programmheft zur aktuellen »Arabella«-Produktion nachzulesen.