Entstehungsgeschichte
Nichts als Musik
»Daphne – ein einziges Musikwunder« titelte einst der »Dresdner Anzeiger« am 17. Oktober 1938 nach der Uraufführung und schrieb weiter: »Superlative reichen nicht aus, das Ereignis zu kennzeichnen.« Der umjubelten Uraufführung ging jedoch ein diskussionsreicher und keineswegs konfliktfreier Entstehungsprozess voraus. Als sich Richard Strauss im Sommer 1935 erstmals mit der neuen Oper auseinandersetzte, war er 71 Jahre alt. Seine Erfolge mit »Salome«, »Elektra«, »Rosenkavalier«, »Ariadne auf Naxos« und »Arabella« lagen hinter ihm. Strauss war auf der Suche nach einem kongenialen Textdichter, denn die kulturpolitische Stimmung, mit der das Nazi-Regime die Einführung der »Nürnberger Rassengesetze« für September 1935 vorbereitete, erlaubte nicht länger eine Zusammenarbeit mit Stefan Zweig. Bereits bei der Uraufführung ihrer gemeinsamen Oper »Die schweigsame Frau« im Juni 1935 in Dresden war es zum öffentlichen Eklat gekommen. Strauss hatte auf der Nennung Zweigs auf dem Besetzungszettel insistiert. Hitler und Goebbels sagten daraufhin ihr Kommen ab. Und Strauss trat als Präsident der Reichsmusikkammer zurück. Stefan Zweig, der Strauss weiterhin seine anonyme Mitarbeit zusicherte, empfahl dem Komponisten den Wiener Theaterhistoriker Joseph Gregor als »Ersatzlibrettisten«. Das Sujet für eine neue Oper fand sich auf Gregors Vorschlag hin schnell: Die Legende von Daphne und Gott Apollo – der älteste Opernstoff überhaupt und zugleich der erste Stoff, den einst Heinrich Schütz 1627 als erstes, leider verlorenes Musiktheaterwerk für den Dresdner Hof komponiert hatte.
Seither ging Daphne in verschiedener Gestalt über die Opernbühne. Für Strauss muss der Gedanke, eine Oper zum ursprünglichen Opernstoff zu gestalten, reizvoll gewesen sein. Dennoch liegt die eigentliche Inspirationsquelle anderswo, bei Gregor, der sich von einer Daphne-Apollo-Lithographie des französischen Romantikers Théodore Chassériau inspirieren ließ. Strauss und Gregor schufen eine mit Blick auf die Mythologie jedoch eher freie Fassung. Die Zusammenarbeit zwischen Komponist und Librettist gestaltete sich äußerst schwierig. Strauss gab sich erst mit der dritten Textfassung zufrieden, zuvor bemängelte er, dass »alles geschrieben und nicht auf der Bühne gesehen sei«. Mehr noch, Gregor musste sich von Strauss beschimpfen lassen, er schreibe einen »schlecht imitierten Homer-Jargon« und »Weltanschauungsbanalitäten«, wogegen sich Gregor zur Wehr setzte, Strauss aber entgegnete: »Auch die Säge des Chirurgen schmerzt, wenn sie ohne Narkose arbeitet …«
Ist Strauss der Komponist, dem kein Libretto genügte? Im Falle der »Daphne« jedenfalls landete er, wo er vielleicht hingehört: bei nichts als Musik. In einem dichten und beziehungsreichen Motivgeflecht offenbaren sich in dieser Musik Tiefen, die man im Text ab und an vermisst. Lyrische Gesangslinien, durchbrochen von dramatischen Akzenten, wechseln mit symphonischen Passagen in äußerst kunstvoller, farbenreicher Instrumentation.