Hörprobe

Hörprobe

Klangschätze aus der Geschichte der Semperoper

»Mild und leise wie er lächelt«, Isoldes Liebestod aus dem Dritten Aufzug von »Tristan und Isolde«, Probeaufnahme des Mitteldeutschen Rundfunks mit Christel Goltz als Isolde unter dem Dirigat von Gerhard Wiesenhüter (1947), Semperoper Edition, Vol. 3, »Wieder Wagner? Die ersten Dresdner Nachkriegsaufnahmen«

An die Hintergründe der Entstehung der Aufnahme konnte sich Christel Goltz 2007 bei der Veröffentlichung der Aufnahme noch genau erinnern:
»Ende der 1940er Jahre wollte Opernregisseur Heinz Arnold eine neue Inszenierung von ›Tristan und Isolde‹ für Dresden schaffen. Zur Vorbereitung auf dieses Projekt wurden Passagen aus den jeweiligen Partien probeweise einstudiert und vom Mitteldeutschen Rundfunk aufgenommen. So konnte sich Heinz Arnold ein Bild der Stimmvermögen machen und der Rundfunk bekam neue Aufnahmen für seine Sendungen.«
Leider lassen sich heute weder Ort noch Datum der Aufnahmen mit letzter Genauigkeit ermitteln.

Zu einer Neuproduktion von »Tristan und Isolde« kam es zum Leidwesen der Dresdner*innen nicht. Da die Nationalsozialisten das Schaffen Richard Wagners für sich und ihre Ideologie vereinnahmt hatten, wurde das Inszenieren von Werken Richard Wagners ab 1945 von der sowjetischen Militäradministration untersagt. Erst 1949, kurz vor Gründung der DDR, wurde mit »Tannhäuser« wieder eine Oper von Wagner in Dresden auf die Bühne gebracht. 1953 war Christel Goltz dann in einer Berliner Inszenierung von »Tristan und Isolde« zu erleben. Dort wurde sie als Isolde stürmisch gefeiert. Die Zeitung »Sächsische Neueste Nachrichten« schrieb später über ihren Auftritt:

»Wann hat man je eine so fast mädchenhafte irische Königstochter ohne jeden Anflug pathetischer Oper erlebt? (…) das Organ mit bestechender Ökonomie verwendet, reicht bei den dramatischen Akzenten durchaus aus und findet bei den lyrischen Partien des Liebestods eine bemerkenswert schöne Linie«

Richard und Mathilde

»Mit Wunden im Herzen«

Richard Wagner, Mathilde Wesendonck, Cosima Wagner und »Tristan und Isolde«

Am 28. Mai 1849 überquerte Richard Wagner den Bodensee und erreichte mit einem gefälschten Pass das rettende Ufer der Schweiz: Er war auf der Flucht vor den sächsischen Justizbehörden, die ihn wegen seiner Mitwirkung an der Dresdner Mairevolution steckbrieflich suchten.

Um seine Verhältnisse aufzubessern, dirigierte er in Zürich Konzerte – und lernte so 1852 das Wagner-begeisterte Ehepaar Mathilde und Otto Wesendonck kennen. Otto Wesendonck verfügte als erfolgreicher Seidenhändler über ein beträchtliches Vermögen und unterstützte Richard und Minna Wagner in der Folge großzügig. Mathilde aber, 23 Jahre jung, attraktiv, gebildet und feingeistig, zog den 15 Jahre älteren Wagner in jeder Hinsicht an: Sie wurde seine Angebetete und Muse, inspirierte ihn zu seiner Oper »Tristan und Isolde« sowie den »Wesendonck-Liedern« (1857/58). Das ging so lange gut, bis Minna Wagner im April 1858 von der (platonischen) Affäre Wind bekam und intervenierte. Mit dem Ergebnis, dass die Wesendoncks zu einer Italienreise aufbrachen und Wagner sein geliebtes »Asyl« verlassen musste ...

Während die Ehe von Minna und Richard Wagner ausgelöst durch diese Affäre ein Ende fand, blieben Otto und Mathilde Wesendonck zusammen und Richard Wagner weiterhin freundschaftlich verbunden. Dass Wagner Mathilde Wesendonck auch später noch als seine »erste und einzige Liebe« bezeichnete, konnte wiederum Cosima Wagner nicht gutheißen. Cosima besuchte übrigens – frischvermählt mit Hans von Bülow – Richard Wagner bei den Wesendoncks in Zürich. Die erste gemeinsame Tochter von Richard und Cosima wurde 1865 zwei Monate vor der Uraufführung von »Tristan und Isolde« geboren, auf den Namen Isolde getauft – und von Hans von Bülow als Kind anerkannt.

Johann Casimir Eule


Richard Wagner über seine erste Begegnung mit Mathilde und Otto Wesendonck (1852)

» 
…eine in Zürich seit kurzem niedergelassene Familie Wesendonck (suchte) meine Bekanntschaft, wozu es in derselben Wohnung der ›Hinteren Eseherhäuser‹, in welcher ich meine erste Züricher Niederlassung versucht hatte, auf Anlass des nach mir dort eingezogenen, von der Dresdner Revolution her mir wohlbekannten Marschall von Bieberstein kam. 

Ich entsinne mich, an dem Abende dieser Gesellschaft meine damalige unmäßige Aufgeregtheit in einer Diskussion mit dem Professor Osenbrück ganz besonders zur Schau getragen zu haben: ich reizte diesen Mann über der Abendmahlzeit durch meine leidenschaftlich festgehaltenen Paradoxen zu einem wahren Abscheu gegen mich auf; denn er vermied seitdem mit größter Ängstlichkeit jede Begegnung mit mir. Meine hierbei angeknüpfte Bekanntschaft mit Wesendoncks erschloss mir zunächst das freundliche Behagen eines Hauses, welches sich vor den sonstigen Züricher Hausständen vorteilhaft auszeichnete. Herr Otto Wesendonck, um einige Jahre jünger als ich, hatte durch Teilnahme an einem New Yorker Seidengeschäft sich ein nicht unbedeutendes Vermögen erworben und schien für seine Lebensentschlüsse sich gänzlich nach den Neigungen seiner seit wenigen Jahren mit ihm vermählten jungen Frau zu richten. Beide stammten vom Niederrhein her und trugen das freundliche blonde Gepräge dieses Landes. In der Nötigung, sich an einem dem New Yorker Geschäft förderlichen Orte Europas zu fixieren, hatte er zunächst Zürich, vermutlich seines deutschen Elements wegen, vor Lyon den Vorzug gegeben. Beide hatten im vergangenen Winter der Aufführung einer Beethovenschen Symphonie unter meiner Direktion beigewohnt, und bei dem Aufsehen, welches diese Leistung in Zürich hervorrief, schien es ihnen für die neue Niederlassung wünschenswert zu dünken, mich für ihren Umgang zu gewinnen.
«


Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, 6. Juli 1858

» 
... Die ungeheuren Kämpfe, die wir bestanden, wie könnten sie enden, als mit dem Siege über jedes Wünschen und Begehren? Wussten wir nicht in den wärmsten Augenblicken der Annäherung, dass dies unser Ziel sei? … Als ich vor einem Monate Deinem Manne meinen Entschluss kundgab, den persönlichen Umgang mit Euch abzubrechen, hatte ich Dir – entsagt. Doch war ich hierin noch nicht ganz rein. Ich fühlte eben nur, dass nur eine vollständige Trennung, oder – eine vollständige Vereinigung unsre Liebe vor den schrecklichen Berührungen sichern konnte, denen wir sie in den letzten Zeiten ausgesetzt gesehen hatten. Somit stand dem Gefühle von der Notwendigkeit unsrer Trennung die – wenn auch nicht gewollte – aber gedachte Möglichkeit einer Vereinigung gegenüber. Hierin lag noch eine krampfhafte Spannung, die wir beide nicht ertragen konnten. Ich trat zu Dir, und klar und bestimmt stand es vor uns, dass jene andre Möglichkeit einen Frevel enthalte, der selbst nicht gedacht werden durfte … So tief und schrecklich, wie in den vergangenen letzten Monaten, habe ich nie zuvor in meinem Leben empfunden. Alle früheren Eindrücke waren inhaltlos gegen diese letzten. Erschütterungen, wie ich sie bei jener Katastrophe erlitt, mussten mir tiefe Spuren eingraben; … Ich kann – kann der Welt mich nicht wieder zuwenden; in einer großen Stadt dauernd mich niederlassen, ist mir undenkbar; … O nein! – Von hier fortgehen, ist gleichbedeutend für mich mit – untergehen! 

Ich kann nun, mit diesen Wunden im Herzen, mir keine Heimat wieder zu gründen versuchen! 
Du kennst jetzt die ganze ernste, entscheidende Stimmung meiner Seele, sie bezieht sich auf meine ganze Lebensanschauung, auf alle Zukunft, auf alles, was mir nahesteht, – und so auch auf Dich, die Du mir das Teuerste bist! Lass mich nun noch auf den Trümmern dieser Welt des Sehnens – Dich beglücken! … Mein Kind, die letzten Monate haben mir an den Schläfen das Haar merklich gebleicht; es ist eine Stimme in mir, die mit Sehnsucht mir nach Ruhe ruft, – nach der Ruhe, die ich vor langen Jahren schon meinen »Fliegenden Holländer« sich ersehnen ließ. Es war die Sehnsucht nach – »der Heimat« –, nicht nach üppigem Liebesgenuss! Ein treues, herrliches Weib nur konnte ihm diese Heimat erringen. Lass uns diesem schönen Tode weihen, der all unser Sehnen und Begehren birgt und stillt! Lass uns selig dahinsterben, mit ruhig verklärtem Blick und dem heiligen Lächeln schöner Überwindung! Und – keiner soll dann verlieren, wenn wir – – siegen! Leb wohl, mein lieber heiliger Engel!
« 


Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, 12. Oktober 1858 

»
Heut vorm Jahr vollendete ich die Dichtung des ›Tristan‹ und brachte Dir den letzten Akt. Du geleitetest mich nach dem Stuhl vor dem Sofa, umarmtest mich und sagtest: ›Nun habe ich keinen Wunsch mehr!‹ (...) Alle Bitterkeit war mir geschwunden; ich konnte irren, mich leidend, gequält fühlen, aber immer blieb es mir licht, und klar wusste ich immer, dass Deine Liebe mein Höchstes sei, und ohne sie mein Dasein ein Widerspruch mit sich selbst sein müsste.
«


Erinnerung Mathilde Wesendoncks an Richard Wagner in Zürich (1896)

»
Erst 1853 wurde der Verkehr freundschaftlicher und vertrauter. Alsdann begann der Meister, mich in seine Intentionen näher einzuweihen. (...) Es freute ihn, wenn ich ihm zu folgen vermochte und an seiner Begeisterung die meinige entzündete. 1854 (von Juni bis Dezember) schrieb und vollendete er die Skizzen zur »Walküre«. Das kurze Vorspiel trägt die Buchstaben: G(esegnet) S(ei) M(athilde)! (...) 

Im Jahre 1854 führte er mich in die Philosophie Arthur Schopenhauers ein, war überhaupt darauf bedacht, mich auf jede bedeutende Erscheinung in Literatur und Wissenschaft aufmerksam zu machen. Entweder las er selbst, oder er besprach den Inhalt mit mir. Was er am Vormittage komponierte, das pflegte er am Nachmittage auf meinem Flügel vorzutragen und zu prüfen. Es war die Stunde zwischen fünf und sechs Uhr; er selbst nannte sich: »der Dämmermann« (...) So habe ich das Beste, was ich weiß, nur ihm zu verdanken. (...)

Er war ein großer Naturfreund. In seinem Garten belauschte er das Nestchen der Grasmücke, eine Rose auf seinem Schreibtische konnte ihn beglücken, und das Waldweben im »Siegfried« erzählt von dem Geflüster hoher Wipfel im Sihltalwalde, wohin er auf weiten Wanderungen, öfters in der Gesellschaft des Dichters Georg Herwegh, seine Schritte lenkte. Das Gespräch der beiden drehte sich dann um die Philosophie Arthur Schopenhauers. Seine Flügel-Adjutanten waren zeitweise Tausig und Hans von Bülow. Wagner nannte Hans sein Alter-Ego. (...) auch Tausig war rührend in seinem Bestreben, die Wünsche des Meisters ihm an den Augen abzulesen. So hat er, als er in der Wagner-Villa zu Gast weilte, nach dem Mittagessen mit der aufgeregten, kränkelnden Frau eine Stunde lang Domino (!) gespielt, damit das Mittagsschläfchen Wagners nicht gestört werde (...) 

Richard Wagner liebte sein »Asyl«, wie er sein neues Heim in der Enge bei Zürich nannte. Mit Schmerz und Trauer hat er es verlassen, – freiwillig verlassen! Warum? Müßige Frage! 
Wir haben aus dieser Zeit das Werk »Tristan und Isolde«! Der Rest ist Schweigen und Sichneigen in Ehrfurcht.
«


Cosima Wagner an ihre Tochter Eva über Richard Wagners Beziehung zu Mathilde Wesendonck (1896)

»
Folgende Äußerungen sind mir im Laufe der Jahre von deinem Vater über diese Beziehung gemacht worden: »Das Bedürfnis war so ungeheuer groß.« »Sie war sehr lieblich.« »Sie hat mir hübsch bei der Arbeit geholfen« (durch anmutige Aufmerksamkeiten im täglichen Leben). »Sie gab einem hübsch wieder, was man ihr gab.« »Es war eine Beziehung, an welche die Prüfung nicht hätte herantreten dürfen.« (...) 

Beziehungen zu »Tristan«: 
Als der »Tristan« konzipiert wurde, war die Beziehung noch eine liebenswürdig-anmutige. Mit der Vollendung der Dichtung (bei welcher bereits die Hauptthemen des Werkes entstanden waren) verwandelte sich die Beziehung in eine schwärmerisch-exaltierte. Die »Träume« und »Im Treibhaus« wurden mit bereits vorliegenden Themen des »Tristan« »illustriert«, wie sich dein Vater ausdrückte. Demnach ist nicht der II. Akt aus den »Träumen« entstanden. 

Als Frau Wesendonck ihren Unmut gegen Minna nicht überwinden konnte, schlug ihr dein Vater vor, mit ihm Zürich zu verlassen und das Leben mit ihm zu teilen. Sie erwiderte: »Das wäre Sakrilegium.« 

In späteren Jahren, als dein Vater hörte, man nähme an, dass »Tristan« die Darstellung von Erlebnissen und Personen wäre, wurde er sehr heiter und sagte: »Marke namentlich ist besonders getroffen.« (...) 

Als es sich um die Herausgabe der 5 Gedichte (die aus Not geschah) [Anmerkung: gemeint sind die »Wesendock-Lieder« auf Dichtungen von Mathilde Wesendonck] handelte, sagte mir dein Vater in freundlichem Ton: Mathilde Wesendonck habe es ihm nicht verhehlen können, dass es ihr schmeichele, mit ihm gemeinsam in die Öffentlichkeit zu treten. Später schrieb er mir bitter: »Das was ihr Heiligstes hätte sein sollen, gab sie preis, so dass mir diese Lieder wertlos sind und ich sie ausgesungenen Sängerinnen schenke.« 

Wie es einmal hieß, Mathilde Wesendonck hinge mit dem »Tristan« zusammen, sagte dein Vater: »Das arme Kind würde erschrecken, wenn es wüsste, was im ›Tristan‹ steckt.« 
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