Semper Geschichte/n

Zum 70. Todestag des Dirigenten Fritz Busch

Als der Dirigent Fritz Busch am 14. September 1951 in London starb, war die Musikwelt schockiert. Nicht nur war Busch, der nur 61 Jahre alt wurde, ein Dirigent von Weltruhm, der in London ebenso erfolgreich dirigiert hatte wie in Buenos Aires und kurz vor seinem Tod zum Direktor der Wiener Staatsoper hätte berufen werden sollen. Neben Arturo Toscanini war Fritz Busch als überzeugter Demokrat und Emigrant aus dem nationalsozialistischen Deutschland der Inbegriff einer künstlerisch wie moralisch integren Dirigentenpersönlichkeit. In Dresden war er Generalmusikdirektor der Semperoper gewesen, bevor er am 7. März 1933 durch die Nationalsozialisten seines Amtes enthoben wurde. 

Der 1890 in Siegen geborene Busch, der aus einer musikalischen Familie stammte, kam über die Stationen Riga und Aachen nach Stuttgart wo er mit nur 28 Jahren Generalmusikdirektor wurde. Zwei Jahre später wurde er zum ersten Mal zu einem Konzert der Sächsischen Staatskapelle nach Dresden eingeladen. In seinen Memoiren »Aus dem Leben eines Musikers« beschreibt er nicht ohne Ironie, wie er bei diesem ersten Dresden-Besuch von einer Abordnung der Staatskapelle vom Bahnhof zu seinem Hotel geleitet wurde. Auf dem Programm standen Regers Mozart-Variationen, Beethovens Violinkonzert und die Zweite Sinfonie von Johannes Brahms. Bereits nach der ersten Probe – so beschreibt es Busch – luden die Musiker den Dirigenten zur Leitung ihrer gesamten jährlichen Konzertreihe ein. Kurz darauf drängten die Kapelle und der ehemalige Hofopernintendant Graf Seebach, den Busch als eine »graue Eminenz« der damaligen Oper beschreibt, dass Busch fest als Generalmusikdirektor für Oper und Konzert nach Dresden kommen solle. Busch willigte nach einiger Bedenkzeit ein und dirigierte am 13. August 1922 seine erste Opernvorstellung in Dresden, Beethovens »Fidelio«. 

»Man konnte sich in Schuchs Zeiten zurückversetzt glauben«, schrieb der Kritiker der Sächsischen Allgemeinen Zeitung nach Buschs erster Opern-Neuproduktion, Giuseppe Verdis »Othello«, die am 14. September 1922 stattfand. »Die Stimmung im Hause die fühlbar auf der Bühne wie im Orchester herrschende Anspannung aller Kräfte und dann die elementare Kraft der Beifallsbekundungen. Das Ganze ein untrüglicher Beweis für die suggestive Kraft einer künstlerischen Persönlichkeit! Fritz Busch schuf das Werk, so wie es ein soll, nach, er erlebte es, und er riss alle, die mit ihm an der Arbeit waren, fort mit seinem völligen Aufgehen in der Aufgabe, die er sich gestellt hatte.« Der Vergleich mit dem erst acht Jahre zuvor verstorbenen Dirigenten Ernst von Schuch verdeutlicht den hohen Rang von Buschs musikalischem Können, das er als Operndirigent immer in den Dienst des Musiktheaters als Verschmelzung von Musik und Theater stellte. Ganz im Sinne seines Vorbilds Gustav Mahler versuchte Busch, das gesamte Repertoire auf die Höhe von mustergültig vorbereiteten, modellhaften Inszenierungen zu heben. Jede Routine und Halbherzigkeit war ihm verhasst.

In Buschs Zeit als Generalmusikdirektor fallen zahlreiche Uraufführungen, darunter die Uraufführungen zweier Opern von Richard Strauss (»Intermezzo« 1924, »Die ägyptische Helena« 1928; die Uraufführung von »Arabella« 1933, die Busch gewidmet ist, konnte er bereits nicht mehr dirigieren). Folgenreich waren auch die Neueinstudierungen von Opern von Giuseppe Verdi mit »Die Macht des Schicksals« in der deutschen Fassung von Franz Werfel als Höhepunkt, die eine Neubewertung dieses Komponisten in Deutschland ermöglichten und eine wahre »Verdi-Renaissance« einleiteten. Die Ära Busch in Dresden endete mit einem Eklat: Busch war mit seinem Eintreten für die musikalische Moderne und seinem deutlichen Bekenntnis zur Weimarer Republik ein Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus. Am 7. März 1933 erklärte die Theaterfachgruppe der NSDAP Busch und den Intendanten Reucker für abgesetzt, am Abend wurde der Dirigent von im Saal platzierten SA Männern beim Betreten des Orchesters regelrecht niedergeschrien. Busch verließ darauf mit seiner Familie Deutschland. 

Eine für seine Zukunft entscheidende Bekanntschaft hatte Busch zwei Jahre zuvor gemacht, wenn auch nicht in Dresden: 1931 arbeitete der Dirigent bei den Salzburger Festspielen erstmals mit dem Regisseur Carl Ebert zusammen. Im folgenden Jahr dirigierte er an der Berliner Krolloper Giuseppe Verdis »Ein Maskenball« in der Inszenierung von Ebert, eine Aufführung, die Operngeschichte schreiben sollte. Nach seiner Emigration gründete Busch zusammen mit Ebert auf dem Gut des englischen Opernmäzens John Christie ein Opernfestival. In dem kleinen Opernhaus, in dessen erweitertem Gebäude bis heute das Glyndebourne Festival stattfindet, realisierten Busch und Ebert Aufführungen der drei Mozart-Da-Ponte-Opern unter idealen Bedingungen. Bereits in Dresden hatte sich Busch intensiv mit den Werken Wolfgang Amadeus Mozarts beschäftigt und alle drei Da-Ponte-Opern selbst dirigiert (»Don Giovanni« 1924, »Die Hochzeit des Figaro« 1926 und »Così fan tutte« 1927). »Così fan tutte« galt zu diesem Zeitpunkt immer noch als oberflächliches Lustspiel, das nicht so selbstverständlich auf den Spielplänen erschien, wie es heute der Fall ist. In Glyndebourne baute er auf dieser Erfahrung auf und konnte, fernab von den Zwängen eines normalen Theaters, seine Vorstellung von Oper verwirklichen. Von allen drei Aufführungen existieren Tonaufnahmen, die bis heute den außerordentlichen Rang des Mozart-Dirigenten Fritz Busch dokumentieren. 

Mit dem Kriegseintritt Englands endete die erste Phase dieses Festivals. Busch floh mit seiner Familie nach Südamerika und dirigierte vor allem am Teatro Colon in Buenos Aires. Ab 1945 war er Musikalischer Leiter der Metropolitan Oper in New York. Im Februar 1951 kehrte er erstmals wieder nach Deutschland zurück und nahm in Köln Verdis »Ein Maskenball« auf. Sein Tod setzte den weiteren Plänen ein Ende. 

Die Semper Geschichte erschien am 14. September 2021. Autor: Kai Weßler (Dramaturg)