Semper Geschichte/n

Ein Opernhaus für alle

Am 12. April 2021 jährt sich die Einweihung der 1. Semperoper zum 180. Mal. Ebenso lange existiert auch die einzigartige Fünf-Minuten-Uhr, die zum Markenzeichen des Dresdner Zuschauerraums geworden ist.

»Bereits im Jahr 1835 wurden die ersten Pläne zu dem neuen Theater in Dresden ausgearbeitet; damals ohne sonderliche Aussicht auf Erfolg und eigentlich nur als beigeordnetes Element eines weit umfassenderen Projektes, das die Umgebungen des Königlichen Schlosses mit der katholischen Kirche, dem naheliegenden Elbufer und dem unter dem Namen des Zwingers bekannten Prachtbau des vorigen Jahrhunderts in sich begriff.« So beginnt der Architekt Gottfried Semper seinen Bericht zur Errichtung des nach ihm benannten, 1841 eröffneten Königlichen Hoftheaters. Mit dem »umfassenderen Projekt« war die grundlegende Umgestaltung des historischen und vor allem künstlerischen Zentrums Dresdens am linken Elbufer gemeint, die wiederum Teil einer allgemeinen Neugestaltung des Dresdner Stadtzentrums war. Tatsächlich war ein neuer Theaterbau notwendig geworden, da das Morettische Theaterhaus dem wachsenden Theaterbedürfnis nicht mehr genügte und so musste dieses Bauvorhaben möglichst schnell umgesetzt werden.

Ausgerechnet den gerade mal 32-jährigen Gottfried Semper (1803–1879), den aus einem bürgerlichen Hamburger Hause stammenden und für seine antimonarchistischen Ansichten bekannten Architekten, hatte der König für den Bau seines neuen Zentrums ins Auge gefasst. Sicher waren die Empfehlungen Karl Friedrich Schinkels und von Freunden wie dem Bildhauer Ernst Rietschel der Sache Sempers sehr zuträglich, doch vor allem Gottfried Sempers umfangreiche Studien in Frankreich, Italien und Griechenland ließen den König zurecht annehmen, dass hier etwas Großartiges, international Gefeiertes entstehen würde.

Semper, der seit 1834 als Professor an der Kunstakademie in Dresden lehrte und gerade zum Vorstand der Bauschule der Akademie berufen worden war, legte einen Bauplan vor, der das Areal des heutigen Theaterplatzes von den bestehenden Zwingeranlagen bis zum Elbufer in ein im Stile der Neo-Renaissance gestaltetes Forum verwandeln sollte. Bestandteil sollte neben einer neuen Gemäldegalerie und einer Orangerie vor allem ein Theaterneubau sein. Ein Großteil des Entwurfes, wie der Architekt selbst gemutmaßt hatte, blieb aufgrund vieler Schwierigkeiten unausgeführt, das Opernhaus selbst jedoch konnte Semper beinah genau so ausführen, wie er es geplant hatte.

Am 26. April 1838 begann der Bau der 1. Semperoper, deren feingliedrige Rundbaufassade etwa dort zu stehen kam, wo sich heute das König-Johann-Denkmal (1889) von Johannes Schilling im Schnittpunkt der Mittelachsen der heutigen Semperoper und der Sempergalerie befindet.

Am 12. April 1841 wurde das Königliche Hoftheater mit Carl Maria von Webers »Jubel-Ouvertüre« und Johann Wolfgang von Goethes »Torquato Tasso« feierlich eröffnet. 

Ein politisches Statement

Doch Sempers erstes Opernhaus ist nicht nur das zu dieser Zeit (zur Freude König Friedrich August II.) »schönste Opernhaus Europas«, sondern auch Ausdruck Sempers politischer Haltung. Die Vorderansicht zeigt einen gleichmäßigen in der Höhe feingliedrigen Rundbau mit Skulpturenschmuck im Stil der Neo-Renaissance. Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Theaterbauten verzichtete der Architekt aber bewusst auf das hierarchische Würdezeichen eines Portikus, sondern gestaltete eine Reihe gleichmäßiger Arkaden mit Freitreppe, die jedermann gleichen Eintritt gewährten. Zufahrten für die Equipagen waren an den Seiten angeordnet. Auch in der Innengestaltung vermied Gottfried Semper übertriebene Monumentalität, er wollte sein Haus in erster Linie in den Dienst der Kunst stellen. Im Innenraum, farblich in Weiß und Gold gehalten, spielte deshalb auch im wahrsten Sinne des Wortes die Musik auf der Bühne: Das Parkett und die vier Ränge waren nicht mehr so streng nach dem zu dieser Zeit noch üblichen Rang- und Logensystem aufgebaut, sondern angelehnt an die griechische Theaterform, sollte dem Zuschauer durch weniger starke Abtrennungen eine freiere Sicht auf die Bühne ermöglicht werden – ein Opernhaus für alle sollte es sein

Diese Details der Gestaltung müssen auch dem jungen Hofkapellmeister Richard Wagner aufgefallen sein, der 1842 an das Königliche Hoftheater kam und hier schließlich seine Opern »Rienzi« (1842), »Der fliegende Holländer« (1843) und »Tannhäuser« (1845) zur Uraufführung brachte. Ihn vereinte dann auch eine innige Freundschaft mit Gottfried Semper; ihr Revolutionsgeist trieb sie gemeinsam 1849 auf die Barrikaden des Dresdner Maiaufstandes und nach ihrer Verbannung aus Sachsen ins Exil.

Ein Großteil der kunstvollen Innenausstattung wurde von den in Dresden zahlreichen hochkarätigen Künstlern und Handwerkern hergestellt. Zu nennen sei hier vor allem der Schmuckvorhang des Akademie-Professors Julius Hübner, dessen »dargestellter Gegenstand dem Vorspiele zu Tiecks ›Octavian‹ entnommen ist«, und der Kronleuchter, der »nach spezieller Zeichnung des Architekten von Herrn Blochmann ausgeführt wurde«. Doch vor allem das speziell für das Proszenium dieser 1. Semperoper entwickelte »respektable Chronometer«, die Fünf-Minuten-Uhr des Hofmechanikus, Hofuhrmachers und Leiters des Mathematisch-Physikalischen Salons in Dresden, Johann Christian Friedrich Gutkaes, sollte den Zuschauerraum dieses Hauses unverwechselbar machen. Ein »Kuriosum unter seinen Artgenossen« sollte es sein, das ohne Ziffernblatt und Zeiger alle 5 Minuten lautlos ein weiteres Zahlenfeld zeigt – und damit Vielen als eine der ersten digitalen Uhren der Welt gilt. Durch die Wirrungen und Zerstörungen der folgenden Jahrzehnte blieb diese Uhr ein treuer Begleiter des Dresdner Opernhauses. Und ebenso wie die Semperoper zweimal zerstört und wieder aufgebaut wurde, entstand auch die Fünf-Minuten-Uhr immer wieder neu. Nach den ursprünglichen Plänen, aber mit vielen zeitgemäßen Verbesserungen gebaut, zeigt sie bis heute dem Dresdner Publikum verlässlich die Uhrzeit an. 

Auf dem Weg zur 2. Semperoper

Gottfried Semper gelangte nach seiner Verbannung schließlich über London nach Zürich, wo er eine Professur für Architektur innehatte. Dort erreichte ihn die schreckliche Nachricht, dass die Semperoper bei einem Brand am 21. September 1869 vollkommen zerstört worden war.

Dass Gottfried Semper »seinen« Dresdnern wohl nicht egal war, zeigt die Tatsache, dass schlussendlich eine Unterschriftensammlung des Dresdner Publikums dazu führte, dass die sächsische Regierung dem Architekten den Neubau des Königlichen Hoftheaters (der 2. Semperoper), wenn auch zähneknirschend, anvertrauen musste. Die Leitung für den Bau zwischen 1871 bis 1878 übernahm sein Sohn Manfred Semper. 

Die Semper Geschichte erschien am 12. April 2021. Autorin: Juliane Schunke (Dramaturgin)