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Nie wieder ist jetzt

Statement Peter Theiler
Intendant der Sächsischen Staatsoper Dresden

Die Semperoper Dresden hat mit Detlev Glanerts »Die Jüdin von Toledo« eine vielbeachtete Opern-Uraufführung auf die Bühne gebracht, mit welcher der international gefragte Regisseur Robert Carsen sein Regiedebüt an der Semperoper gegeben hat. »Die Welt wird zur Hölle für alle, / die ihre Menschlichkeit opfern«, singt darin Rahels Schwester Esther. Große Worte, die leider in ihrer überzeitlichen Gültigkeit an Aktualität gewonnen haben. Detlev Glanert und sein Librettist Hans-Ulrich Treichel beziehen sich auf das gleichnamige Schauspiel von Franz Grillparzer, der in seinem austriakischen Pessimismus jene prophetische Sentenz verfasst hat, die uns auch heute noch zu denken gibt: »Der Weg der neuern Bildung geht / Von Humanität / Durch Nationalität / Zur Bestialität«. Das war 1849. Wie steht es 2024? 

Mit großer Besorgnis nehmen wir zur Kenntnis, dass unser demokratisches Wertesystem, in dem Vielfalt, Internationalität und Weltoffenheit eine zentrale Rolle spielen, zurzeit von rechtsextremistischen Kräften offen attackiert wird. Dass bei einem Treffen in Potsdam Neonazis und rechtsradikale Kräfte, darunter führende Mitglieder der AfD und der »Werteunion«, Grundzüge eines sogenannten »Masterplans« diskutiert haben sollen, um Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben, weckt dabei Erinnerungen an das grausamste Kapitel deutscher Geschichte.

Als internationale Kulturinstitution, an der Menschen aus mehr als 30 Nationen kreativ zusammenarbeiten, können wir dazu nicht schweigen und unterstützen die friedlichen Demonstrationen für Rechtstaatlichkeit, Menschenwürde und Weltoffenheit.

Auch die Nachrichten und Bilder, die uns seit dem 07. Oktober 2023 aus Israel erreichen, sind zu tiefst erschütternd. Die Welt erlebte einen bisher beispiellosen terroristischen Überfall durch die Hamas auf ein Land, dem sich Deutschland auf besondere Weise verbunden und verpflichtet fühlt. Daran sei anlässlich der jüngsten Gedenken an die Novemberpogrome und auch der bevorstehenden Erinnerungen an die Schicksalstage Dresdens an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich eingegangen.

Ich schreibe dies in meiner Eigenschaft als Intendant der Semperoper. Selbst bin ich als Schweizer Staatsbürger seit Jahrzehnten eng mit dem deutschen Kulturleben verbunden, und habe es immer als wohltuendes Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland empfunden, dass die Solidarität mit Israel nie grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Dies schien vor allem auch in Kreisen der Kunst- und Kulturschaffenden Konsens zu sein. Die tiefen Differenzen in der Reaktion auch von Kulturschaffenden auf den größten Massenmord an Juden seit dem Zweiten Weltkrieg sind dabei zu tiefst verstörend; Nicht nur, dass viele, zu viele, schweigen, oder dass durch »Kontextualisierung« das Verbrechen relativiert wird. Auch offener Antisemitismus und Israelfeindlichkeit tritt dabei unverblümt zu Tage. 

Dabei ist der terroristische Überfall auf Israel vom 7. Oktober, das Massaker an jungen Feiernden eines Musikfestivals, die Entführung, Vergewaltigung und Ermordung hunderter Unschuldiger barbarisch und durch nichts zu rechtfertigen. Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten den unmittelbar Betroffenen, den Opfern und ihren Angehörigen. 

Wir denken auch an unsere Freund*innen der Jüdischen Gemeinden hier in Dresden, an unsere jüdischen und israelischen Kolleg*innen und Gäste, für die die Ereignisse des 7. Oktober eine tiefe Zäsur in ihrem Leben bedeutet. 

Selbstverständlich ist anzuerkennen, dass im Zuge der legitimen Verteidigung des Staates Israel auf den Terrorangriff durch die Hamas zahllose zivile Opfer auf Seiten der Palästinenser zu beklagen sind. Die Einhaltung des Völkerrechts und die Aufrechterhaltung humanitärer Hilfe sind hier dringend geboten. Als Kultureinrichtung, die gleichermaßen davon lebt, dass Künstler*innen aus aller Welt bei uns wirken wie auch, dass unsere Türen Menschen aus aller Welt offenstehen, stehen wir dabei für den unverbrüchlichen Glauben an die Kraft der Verständigung und des Dialogs.

In diesem Sinne hoffen wir auf ein baldiges Ende des Konfliktes und dass sich die mäßigenden Kräfte in der Region durchsetzen mögen.

Ihr
Peter Theiler

Initiative weltoffenes Dresden

In ihrer Erklärung bekennen sich die Dresdner Kulturinstitutionen zu einer pluralistischen Zivilgesellschaft, zu Respekt, Toleranz und Demokratie, die Semperoper ist Teil dieser Initiative.

Erklärung #WOD