Sänger*innen

Wie sehr ich mich nach Rache sehne!

Giuseppe Verdis frühes Meisterwerk »Attila« ist das erste Mal am 4. Februar 2023 an der Semperoper als konzertante Aufführung zu erleben. 

Was für eine Geschichte! Eine junge Frau fällt nicht nur die mutige Entscheidung, Rache für ihren getöteten Vater zu nehmen, sondern verhindert auch einen Giftanschlag auf den Mörder ihres Vaters. Sie will selbst den Mord begehen und führt ihren Plan schließlich auch aus. Diese Entschlossenheit ist kaum zu überbieten. Gleich zu Beginn wird die Primadonna Odabella in ihrer hochdramatisch-virtuosen Auftrittscavatine als eine kriegerisch auftrumpfende Amazone eingeführt. Ihr bedingungsloser Wille, selbst die Fäden in der Hand zu halten, zeugt von unfassbarer Größe und Stärke.

Es erstaunt, dass Mitte des 19. Jahrhunderts – am 17. März 1846 findet am Teatro La Fenice in Venedig die Uraufführung statt – auf offener Bühne, also fürs Publikum sichtbar, ein Mord gezeigt wird. Noch verblüffender ist, dass die Tat von einer Frau begangen wird. Wenige Frauenfiguren in der Opernlandschaft des 19. Jahrhunderts besitzen diesen kaltblütigen, entschlossenen Charakterzug. Giuseppe Verdi schafft mit Odabella eine weibliche Opernfigur, die die eigentliche Protagonistin des Werkes ist – auch wenn der Operntitel den historisch belegten Hunnenkönig, der im 5. Jahrhundert n. Chr. für Angst und Schrecken sorgte, in den Vordergrund stellt. 

Kammersänger Georg Zeppenfeld, der in der Semperoper u.a. als Hans Sachs in »Die Meistersinger von Nürnberg« brillierte und derzeit den Fasolt (»Das Rheingold«) und Hunding (»Die Walküre«) singt, interpretiert diese einzige Bass-Titelrolle einer Verdi-Oper. Attilas Gegenspieler ist der römische Feldherr Ezio, der vor keiner Intrige zurückscheut, um sich selbst die Macht zu sichern. Andrzej Dobber, der in Dresden als Scarpia in »Tosca« und als Nabucco zu erleben war, singt diese kraftstrotzende Baritonpartie. Die äußerst starke Frauenfigur Odabella, die sowohl das lyrische als auch das dramatische Fach beherrschen und zusätzlich auch mörderische Koloraturen meistern muss, übernimmt Anna Smirnova – an der Semperoper konnte man sie beispielsweise schon als Eboli in »Don Carlo« bewundern. Nicht zu vergessen sei ihr echter Liebhaber Foresto: Der gefragte kroatische Tenor Tomislav Mužek singt die Partie; diese Spielzeit ist er glücklicherweise in unser Ensemble zurückgekehrt. 

Verdis »Attila«, nach dem gleichnamigen Theaterstück von Friedrich Ludwig Zacharias Werner, ist jedoch nicht nur ein Sänger*innen-Fest, sondern auch ein Meilenstein in Verdis Umgang mit Ensembles und mit faszinierenden Orchesterfarben. Der spanische Dirigent Jordi Bernàrcer wird Verdis Oper mit dem Sächsischen Staatsopernchor und der Sächsischen Staatskapelle Dresden zum Klingen bringen.
 
Benedikt Stampfli