„Ein besserer Start hätte mir nicht passieren können“
Ein Gespräch mit Mario Lerchenberger
Lieber Mario Lerchenberger, herzlich willkommen an der Semperoper. Bist du in Dresden gut angekommen, wie fühlt sich der Wechsel von der Mur an die Elbe für dich an?
ML: „Ganz gut! Ich bin ja erst ein paar Wochen hier, daher muss ich die Schönheit Dresdens noch viel besser kennenlernen. Doch das, was ich schon gesehen habe – besonders die schönen sonnigen Spätsommerabende an der Elbe –, ist traumhaft. Und das erste Mal mit dem Fahrrad vom Terrassenufer zur Semperoper rauf zu fahren, war natürlich auch ein ganz besonderes Erlebnis, vor allem, weil ich vorher noch nie in Dresden war, – natürlich musste ich auch ein Foto am Theaterplatz mit dem wunderschönen Opernhaus machen, wie der „Obertourist“ (lacht). Noch wichtiger für mich sind, abgesehen vom guten Espresso, den ich auch schon gefunden habe, die Menschen, die hier leben. Ich bin bis jetzt nur freundlichen, offenen Leuten in Dresden begegnet – ein besserer Start hätte mir nicht passieren können.“
Nun wirst du in dieser Spielzeit viele verschiedene Partien singen, wie u.a. Jaquino (Fidelio), Narraboth (Salome), Alfred (Die Fledermaus) und Tamino (Die Zauberflöte). Worauf freust du dich besonders?
ML: „Das sind alles grandiose Partien, aber besonders freue ich mich auch aufs Neue, also das Rollendebüt als Narraboth und Tamino. Ganz toll wird sicher auch die Partie The Bridegroom (Tuomas) aus der Oper Innocence von Kaija Saariaho. Ich kenne den Regisseur Lorenzo Fioroni noch von einer szenischen Umsetzung von Brittens War Requiem an der Oper Graz. Bei so einem intensiven Stoff wie Innocence finde ich zeitgenössische Musik grundsätzlich sehr passend und vor allem die Klangsprache der finnischen Komponistin für diesen Thriller-artigen Inhalt genau richtig, wenn auch natürlich für uns Ausführende herausfordernd.“
Dein Debüt an der Semperoper hast du mit dem Steuermann im Fliegenden Holländer gegeben. Wie ist es dir ergangen, als du das erste Mal hier auf der Bühne gesungen hast?
ML: „Es war ein grandioser Start: zusammen mit der Sächsischen Staatskapelle und Bühnenkollegen wie Jennifer Holloway, Christa Mayer, Michael Volle, Georg Zeppenfeld und Tomislav Mužek – der Blick in den wundervollen Zuschauerraum und ein durchwegs tolles Team … ein traumhaftes Hausdebüt. Zudem verbinde ich mit dem Steuermann viele schöne Erinnerungen an mein ‚heimatliches‘ Opernhaus in Graz. Und nun, nachdem ich fast 5 Monate lang ein paar Teile der Welt bereist habe, war es wie ein Gefühl von ‚nachhause kommen‘ als ich den Steuermann wieder gesungen habe.“
Fidelio ist per se eine hochpolitische Oper. Am 7. Oktober 1989 feierte Christine Mielitz’ Inszenierung von Beethovens Fidelio ihre Premiere an der Semperoper – einen Monat später, am 9. November 1989, wird in Berlin die Mauer fallen. Unser Fidelio ist also die letzte Semperoper-Premiere in der DDR. Was geht dir da durch den Kopf, wenn du Jaquino singen wirst?
ML: „Der Fidelio ist in Dresden aufgrund dieser Verknüpfung zur Vergangenheit natürlich auch geschichtsträchtig wie der hier uraufgeführte Holländer. Die Inszenierung von Mielitz ist älter als ich, aber leider immer noch so aktuell wie vor 35 Jahren. Allein schon im ‚Kleinen‘, beispielsweise im ersten Duett der Oper sieht man, dass Jaquino gegenüber Marzelline sehr schnell durchaus gewaltbereit ist.
Mir ist unfassbar wichtig, dass ich meine Rollen auf der Bühne so real wie möglich spiele – ich muss es innerlich spüren, um es authentisch nach außen bringen zu können. Aber gerade bei solchen Rollen, die überhaupt nichts mit mir als Privatperson zu tun haben, ist es umso wichtiger, nach Ende des Stücks wieder zum friedliebenden Mario zu werden.
Mario Lerchenberger studierte an der Kunstuniversität Graz und kam 2019 ins Ensemble der Oper Graz. Dort sang er Partien wie Macduff (Macbeth), Alfred (Die Fledermaus), Steuermann (Der fliegende Holländer), Hans (Die verkaufte Braut) und Kudrjasch (Káťa Kabanová). Ganz wichtig für ihn ist auch das Konzertrepertoire, so sang er u.a. die großen Oratorien von Johann Sebastian Bach und Joseph Haydn, die Requiems von Antonín Dvořák, Wolfgang Amadeus Mozart und Giuseppe Verdi in der Salzburger Felsenreitschule, im Wiener Konzerthaus, im Grazer Musikverein, beim Internationalen Bachfest in Leipzig sowie beim Brucknerfest in Linz. Nun ist er seit dieser Spielzeit Ensemblemitglied an der Semperoper.