Sänger auf Umwegen
Über den musikalischen Grenzgänger Florian Boesch
Der Bassbariton Florian Boesch ist einer der gefragtesten Opernsänger, ein begnadeter Liedinterpret, aber stets auch ein offener Künstler für neue Musikrichtungen – ein „Wanderer zwischen den Welten“. Eine langjährige künstlerische Partnerschaft pflegt er mit der Musicbanda Franui. Vor Kurzem wirkte er beim szenischen Mahler-Projekt Von der Liebe Tod an der Wiener Staatoper mit: „Kraftund Charismazentrum des Abends war Florian Boesch, der speziell in den Kindertotenliedern mit opernhafter Wucht und kompletter seelischer Entblößung fesselte“, schrieb Der Standard.
Doch Florian Boesch, geboren 1971 in Saarbrücken, kam erst über Umwege zum Gesang. In der Jugend schwankte er zwischen seinem leidenschaftlichen Cellospiel und der Bildenden Kunst und fing zunächst ein Studium des Produktdesigns an.

Florian Boesch © Andreas Weiss
„In Saul sind die alttestamentarischen Kategorien mit Mord und Totschlag überhöht und sehr groß, in der Problematik aber real und allgemein.“
Doch den Gesang hatte er in der DNA. Sein Vater, der Bariton Christian Boesch, war in den 70er- und 80er-Jahren der Papageno in Mozarts Zauberflöte und seine Großmutter, die österreichische Kammersängerin Ruthilde Boesch, die mehr als 25 Jahre im Ensemble der Wiener Staatsoper sang, beeindruckte ihn so sehr, dass er mit beachtlichen 27 Jahren den Entschluss fasste, doch in die Fußstapfen seiner Familie zu treten und an der renommierten Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Robert Holl Lied und Oratorium zu studieren – seit 2015 hat er dort dessen Professur inne. Die filigrane Gattung des Liedgesangs ist seine Wahlheimat. Er zaubert und interpretiert die vertonten Gedichte mit einer Klarheit und Transparenz, die ihresgleichen sucht. Daher erstaunt es nicht, dass Florian Boesch gefragter denn je ist und in Häusern wie dem Musikverein und Konzerthaus Wien, in der Carnegie Hall in New York, im Concertgebouw Amsterdam, in der Wigmore Hall London oder bei Festivals wie den Schwetzinger, Bregenzer und Salzburger Festspielen auftritt; jüngst war er Artist in Residence in der Elbphilharmonie Hamburg. Im Konzert arbeitet er mit den bedeutendsten Dirigent*innen der Welt zusammen und wirkt als Solist u. a. bei den Wiener und Berliner Philharmonikern, dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunk, dem Gewandhaus Orchester Leipzig oder der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit. Aber natürlich ist er auch auf den Opernbühnen zu Hause und singt Partien aus allen Epochen, wie beispielsweise den Wozzeck in der gleichnamigen Oper von Alban Berg, den Grafen Almaviva in Le nozze di Figaro oder die Titelpartie in Bernhard Langs Uraufführung I Hate Mozart. Mit dem Regisseur Claus Guth verbindet ihn eine eine langjährige, enge Zusammenarbeit. Beispielsweise sang Florian Boesch Guglielmo in dessen Così fan tutte - Inszenierung bei den Salzburger Festspielen oder Simon in Schuberts Lazarus, den Bass in der szenischen Fassung von Händels Messiah, Zoroastro in Händels Orlando und die Titelpartie in Händels Saul – alles am Theater an der Wien. Sowohl Claus Guth als auch Florian Boesch sind an einem Gegenwartsbezug der biblischen Stoffe interessiert. Sie möchten zum Beispiel herausarbeiten, welche Position der heutige Mensch in Extremsituationen einnimmt. Insbesondere zu Saul sagt Florian Boesch: „Claus Guth und ich sind an ähnlichen Plätzen in unserem Leben. Das Altern ist eine zentrale Möglichkeit gewesen, sich mit Saul zu beschäftigen. Im Saul sind das natürlich alttestamentarische Kategorien mit Mord und Totschlag, überhöht und sehr groß, in der Problematik aber real und allgemein.“ Der Charismatiker Florian Boesch wird auch in Dresden als Saul zu erleben sein und die „wunderbar geführte, flexible, klangschöne Stimme“ auch an der Semperoper erklingen lassen.