Eine japanisch-amerikanische Liebestragödie
Mit seiner Inszenierung von Giacomo Puccinis Madama Butterlfy präsentiert sich der japanische Regisseur Amon Miyamoto zum ersten Mal in Dresden. Amon Miyamoto, als Regisseur in den traditionellen japanischen Theaterformen Nō und Kabuki ebenso zu Hause wie im Schauspiel, Musical und Oper, hat sich in seinen Vorbereitungen auf die Inszenierung intensiv mit den historischen Hintergründen von Madama Butterfly und der Figurenkonstellation auseinandergesetzt. Im Interview gibt er erste Einblicke in seine Neuinterpretation.
Während der Vorbereitungen haben Sie auch die ursprüngliche Quelle der Oper Madama Butterfly, eine Erzählung von John Luther Long herangezogen. Diese basiert auf einer wahren Geschichte?
Amon Miyamoto Ja. Long hat seine Erzählung einem Fall nachempfunden, der tatsächlich so stattgefunden haben soll. Demnach soll Pinkerton zur Zeit des japanisch-chinesischen Krieges (1894–1895) in Nagasaki eingetroffen sein und wenn man bisschen zurückrechnet kann man den ungefähren Zeitpunkt rekonstruieren. Cio-Cio-San trifft Pinkerton, da ist sie 15 Jahre alt. Sie nimmt sich das Leben mit 18. Zu dem Zeitpunkt ist das gemeinsame Kind etwa zwei oder drei Jahre alt. Dreißig Jahre später wäre Pinkerton 58 Jahre alt, wenn er mit 25 Jahren Cio-Cio-San kennengelernt hätte.
Das heißt, es tritt ein 30 Jahre älterer Pinkerton auf?
Amon Miyamoto Genau. Unsere Inszenierung beginnt in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Pinkerton wurde im Krieg verletzt und ist ob seines schlechten Gewissens gegenüber Cio-Cio-San schwer erkrankt. Auf den Rat seiner amerikanischen Ehefrau Kate kam auch das Dienstmädchen Suzuki zusammen mit dem Sohn nach Amerika, welche neben ihm sitzt. Der Sohn ist inzwischen erwachsen geworden und 32 Jahre alt. Wie der Heiratsvermittler Goro gewarnt hatte, ist der Sohn in Amerika zur Zielscheibe von Fremdenfeindlichkeit geworden und er tut sich schwer mit seiner Identität. Er weiß zudem nichts von seiner leiblichen Mutter. Der Sohn leidet unter diesem Umstand, nichts über seine Wurzeln zu wissen, bis er eines Tages von seinem Vater einen langen Abschiedsbrief erhält: „Ich erzähle dir hiermit die Geschichte zwischen mir und deiner Mutter“. Ab diesem Punkt erlebt der Zuschauer die retrospektive Erzählung der Ereignisse.
Es handelt sich dabei bisher um ein Vorspiel?
Amon Miyamoto Ja. Es unterscheidet sich hierin in der gewohnten Art und Weise, wie Madama Butterfly gemeinhin aufgeführt wird, was einige Zuschauer sicher erstaunen wird ...
Sie wollen wissen, ob das zwischen Cio-Cio-San und Pinkteron wirklich Liebe war, nicht wahr?
Amon Miyamoto Waren sich die beiden denn eigentlich nicht sehr ähnlich? Deshalb haben sie sich so wohl und gelöst gefühlt, wenn sie Zeit miteinander verbracht haben. Beide waren auf eine Art unerfahren und unreif, wie Kinder.
Cio-Cio-San und Pinkerton kennen sich zu Beginn des Stücks bereits. Das ist Ihrer Meinung nach ein wichtiges Element.
Amon Miyamoto In der Szene, bevor Cio-Cio-San ihren Auftritt hatte, schwärmt Pinkerton Sharpless von ihr vor, wie toll sie doch sei. Aber Sharpless befürwortet nicht, was Pinkerton vorhat – er weiß, dass Kate zuhause auf Pinkerton wartet. Aber Pinkerton hat noch nie so eine Frau getroffen. Cio-Cio-San ist anders als alle anderen, die er je getroffen hat. Und so kommt es, dass er sie unbedingt heiraten möchte. Es ist ihnen egal, was die anderen über sie denken, für sie zählt nur der Moment. Doch dieses unüberlegte Handeln besiegelt die Tragödie, die ihnen daraufhin widerfahren wird. Doch so oder so: Das Liebesduett zum Ende des ersten Akts ist von überragender Emotionalität, von transzendentaler Kraft. Das ist keine gewöhnliche Liebe. Es ist die Art schicksalhafter Begegnung mit einem Menschen, wie man sie nur einmal in seinem Leben hat – zumindest ist das die Geschichte, die mir die Musik erzählt.
Die Fragen stellte Naoki Hayashida.
Das vollständige Interview finden Sie im Programmheft zur Neuinszenierung.