Erinnerungen an die Wiedereröffnung der Semperoper 1985

„Nicht nur aus der Sicht eines damals 19-Jährigen war die Eröffnung eines so großen und repräsentativen Opernhauses ein Tag, den man wahrscheinlich nur einmal in seinem Leben erlebt. Wir waren alle mächtig stolz und glücklich, dabei zu sein. Dresden war an diesem Tag plötzlich international beachtet, und wenn man innerhalb der DDR davon sprach, wusste wirklich jeder, was für eine Bedeutung der Wiederaufbau und die Eröffnung der Semperoper hatte. In diesen Tagen lebte das Gefühl in der Stadtgesellschaft wieder auf. Man spürte förmlich, dass Dresden eine ganz besondere Kunststadt ist und es in dieser schönen Stadt eine einmalige Verbindung zwischen den Menschen und ihrem Opernhaus gibt. Endlich stand mal nicht Berlin, die Hauptstadt, im Mittelpunkt. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, Karten zu bekommen. Die waren fast wie eine zweite Währung, insbesondere die Karten der Voraufführungen im Januar 1985. Für uns Jungs war das auch aus anderer Sicht klasse. Ich kann mich an ein sehr hübsches Mädchen in einer Disco in Leipzig erinnern, die es sowas von cool fand, einen Beleuchter von der Semperoper kennenzulernen.“

Jan Seeger, Technischer Direktor der Semperoper Dresden

„Am 13. Februar 1985 wurde die Semperoper nach ihrer Zerstörung und dem Wiederaufbau festlich eröffnet. Der Freischütz von Carl Maria von Weber war die Eröffnungspremiere. Ich war zu dieser Zeit Mitglied des Opernstudios der Dresdner Staatsoper. In der Freischütz-Premiere hatte ich eine Sprechrolle, die des Jagdburschen. Die Vorstellung, die weltweit im Fernsehen übertragen wurde, wurde einige Tage vor der Premiere aufgezeichnet. Und während die Premiere in Dresden unter größten Sicherheitsmaßnahmen stattfand (das Betreten des Hauses war nur mit einem speziellen Passierschein möglich), lief parallel dazu die Aufzeichnung im Fernsehen. Mein Auftritt war in der Proszeniumsloge, also quasi fast im Zuschauerraum. Ich musste durch mehrere Sicherheitskontrollen gehen, auch weil ich eine Waffe trug, die zwar nur eine Attrappe war, aber doch gefährlich aussah (im Zuschauerraum saß ja schließlich die Staatsführung). Für mich ist dieser Tag als einschneidendes Erlebnis in Erinnerung geblieben und ich bin froh, an dieser Premiere beteiligt gewesen zu sein.“

Matthias Henneberg, langjahriges Mitglied des Ensembles undKammersanger der Semperoper Dresden

„Ich bin im Schatten der Dresdner Staatskapelle und der Semperoper aufgewachsen. Mein erster Konzertbesuch war 1973, da war ich 10 Jahre alt. Als ich 1980 mein Cello-Studium begann, waren unsere Lehrer an der Dresdner Hochschule fast ausnahmslos Musiker der Staatskapelle. Da ich regelmäßiger Hospitant bei Proben und Aufnahmen der Kapelle wurde, blieben ein Großteil der Vorlesungen und Seminare – nicht nur in den gesellschaftspolitischen Pflichtfächern – von mir unbesucht. 1984 wurde ich im 4. Studienjahr Substitut der Staatskapelle. Ich spielte zunächst die Bühnenmusik im Freischütz. Das Cello mit einem Riemen um den Hals gehängt, war ich sehr aufgeregt, blickten doch die großen Vorbilder neugierig aus dem Graben auf die Bühne. Mit meinen Diensten im Graben bekam ich dann zunehmend Einblick in den Geist und die Klangästhetik der Staatskapelle. Der Umzug in die Semperoper vor 40 Jahren war natürlich auch für uns Student*innen ein gewaltiges Ereignis. Mein Lehrer Gerhard Pluskwik, Solocellist, in der Wendezeit Orchestervorstand, Anfang der 90er Jahre auch Orchesterdirektor, erzählte von den Akustikproben, von dem Streit mit dem Freischütz-Regisseur Joachim Herz um Überbauten über den Orchestergraben und von einer Anweisung der Theaterleitung, in der Premierenvorstellung vom Rosenkavalier unter Hans Vonk innerhalb der Eröffnungstage, auf das traditionelle „Herr Schmidt“ im zweiten Akt zu verzichten – eine Anweisung, der dann wohl nicht Folge geleistet wurde. Zur Eröffnung der Semperoper spielte ich den Freischütz dann im Graben, allerdings nicht in der Eröffnungsvorstellung selbst, das war für Substituten undenkbar. Sehr bald kamen dann Zar und Zimmermann, Coppélia und Così fan tutte. Und natürlich La bohème, ein Stück, dass ich im Großen Haus in der heute noch existierenden Mielitz-Inszenierung oft gesehen hatte und die ich dann als erstes Dirigat, von einem Aufführungsabend der Staatskapelle abgesehen, in der Semperoper musizieren durfte. Das Spielen im Graben war, konnte ich mich von der Aufregung befreien, von einem bis dahin unerlebten Musiziergefühl getragen. Der Nachhall, die Hörsamkeit, die akustische Plastizität, der Sound – alles war so nachhaltig beeindruckend, motivierend und beglückend. Ab 1986 hatte ich bis kurz vor die Wende einen Aushilfsvertrag mit acht Diensten pro Monat. Ich durfte zahlreiche Opern spielen. Neben dem Freischütz erinnere ich mich an Parsifal, Lohengrin, Otello, Meistersinger, Eugen Onegin und Salome. An einigen wenigen Abenden, als die Staatskapelle auf Tour war, durfte ich als Aushilfe auch Solo-Cello spielen, Coppélia und Zar und Zimmermann … unvergesslich. So habe ich die Staatskapelle und die Semperoper als neugierig Studierender, als begeisterter wie kritischer Hörer, als lernbegieriger Musiker und schließlich als in Verbundenheit und Dankbarkeit agierender Dirigent über nun schon 50 Jahre begleiten dürfen. Unter den Dirigierenden bin ich möglicherweise der Einzige, der die Eröffnungszeit der Semperoper – wenngleich in anderer musikalischer Tätigkeit – miterlebt hat und noch heute dem Haus und der Staatskapelle aktiv verbunden ist. Das ist und bleibt für mich eine große, vielleicht die größte Ehre.“

Georg Fritzsch, Generalmusikdirektor der Badischen Staatskapelle Karlsruhe