Walzer tanzen auf dem Polstermöbel

Jeder Star braucht seinen vorbereiteten Auftritt – und in Günter Krämers Inszenierung der Operette Die Fledermaus ist ein Sofa der unbestrittene „Star“. Geistiger Vater ist der Bühnenbildner Gisbert Jäkel, der das Polstermöbel zum Bühnenbild erhoben hat. Wie sitzt es sich auf so einer plüschigen Bühne? Adi Luick hat sich einmal umgehört …

Die einen haben ihr „Sofa“, die anderen ihre „Couch“, wieder andere setzen sich aufs „Kanapee“. In der täglichen Umgangssprache nimmt man es nicht so genau mit der Bezeichnung dieses doch so variantenreichen Sitzmöbels – und doch gibt’s da den oft gar nicht so kleinen Unterschied, der es selbst für Fachmann/Fachfrau nicht leicht macht.

Dass man die Erfolgsgeschichte des Sofas demnächst erweitern muss, das ahnen jedoch gerade mal die Sachsen. Denn was an Europas ältestem Standort der Sitzmöbelherstellung in Oelsa-Rabenau nächst der Residenzstadt Dresden gerade durch emsige Hände sächsischer Handwerker gestaltet wird, kann bald zum „Star“ jeden Ortes seines Auftretens werden – ob im Ballsaal des Prinzen Orlofsky, dem bürgerlichen Wohnzimmer oder im Zelt des arabischen Scheichs. Letzteres hieße dann für das gute Stück „Made in Sachsen“ sogar „back to the roots“, denn die Bezeichnung „Sofa“, die so heimelige Gefühle vermittelt, hat sich aus dem fernen Arabien in unserem Wortschatz eingebürgert.

Allerdings ertönt unseren Ohren die morgenländische Couleur nur noch in einigen Varianten dieses Möbels: „Sultane“, „Tourquoise“ und „Ottomane“ klingen wie Verheißungen aus Scheherazades Erzählungen. Und wer Jean Pauls „Flegeljahre“ gelesen hat, weiß sogar, dass es eine „Paphose“ gibt (keine Sorge: Jean Pauls Romanheld wusste es selbst nicht). Der Charme der französischen Sprache hat sein Übriges getan, dem luxuriösen Sitzmöbelstück klang- und glanzvolle Namen zu verleihen: Bietet eine „Marquise“ nur zwei Sitzenden Platz, so tritt die „Veilleuse“ meist paarweise auf und bietet ihre Polsterung zum Niederlegen an. Wesentlich komfortabler beweist sich da aber die breite „Chaiselongue“, während die „Duchesse“ durch ihre schmalere Figur mit etwas mehr Noblesse auftritt. Damit hätten wir auch schon die Hauptformen des Sofas allein im Rokoko genannt, dessen beschwingte Kunst des Lebensgenusses das „Sofa“ endgültig manifestierte. Und diese Kunst war luxuriös, aristokratisch, sinnlich – und schlimmer noch – frivol.

Vielförmig ist’s auch heute noch, das „Sofa“. In seiner Variation als „Couch“ dient es manch Seelenkrankem dazu, seines Lebens Freud wieder zu kurieren. Doch auch im bürgerlichen Heim ist das bequeme Möbelteil zu vielem nutze: Schön gepolstert und mit gutem Federkern verlockt es die übermütige Jugend zu waghalsigen Sprungübungen. Dem Vater ist es abendlicher Thron, von dem aus er als „Couch-Potatoe“ engagiert die Sportsendung verfolgt. Und der tüchtigen Mutti dient es zur Demonstration hausfraulicher Präzision, wenn sie mit gekonntem Schlag der Handkante dem Sofakissen in der Mitte seinen Knick zu geben vermag. Auch so manche Liebesbande nahmen in der Sofaecke ihren Anfang; vom weiteren Verlauf allerlei möglicher Verlustigungen auf diesem Möbelteil wollen wir an dieser Stelle lieber schweigen.

Dass so manches (Komponisten)-Leben liegend auf dem Polstermöbel sein Ende fand, gehört zu den tragischen Momenten der Kulturgeschichte des Sofas. Zur Sensation wird das Sofa, wenn es zum Star der Oper(etten)bühne avanciert. Wo das geschieht? In der Fledermaus!