„Es ist ein Privileg, hier zu singen“
Ein Gespräch mit Marjukka Tepponen
Du bist in der Saison 2024/25 mit Margherita (Mefistofele) als neues Ensemblemitglied an der Semperoper gestartet – hast du dich inzwischen gut in Dresden eingelebt?
Marjukka Tepponen: Es dauert immer ein bisschen, bis man sich an einen neuen Ort gewöhnt hat, aber ich muss sagen, dass ich mich nach der anfänglichen „Wo bin ich, wer bin ich“-Phase in die Semperoper verliebt habe. Dieses Haus hat wirklich eine der besten Akustiken, um darin zu singen! Ich habe immer das Gefühl, dass ich in dem wunderbaren Surround-Sound von meinen Kolleg*innen, dem Orchester und dem Chor eingebettet bin. Es ist ein Privileg für mich, hier gemeinsam mit diesen Menschen zu singen und Theater zu machen.
Ich habe in der Stadt einige großartige Orte gefunden, welche, an denen man den besten heißen Kakao trinken kann, Parks, in denen man joggen kann. Das einzige, was ich vermisse, ist die Möglichkeit, Golf zu spielen!

Marjukka Tepponen und Martina Gedeck in Mefistofele © Sempeorper Dresden/David Baltzer
Nach deinem Semperoperndebüt als Margherita, Cio-Cio-San (Madama Butterfly) und Mimì (La bohème) wirst du ab Juli 2025 auch als Tatjana (Eugen Onegin) zu sehen sein – gibt es für dich Parallelen zwischen diesen Figuren oder genießt du die Unterschiedlichkeit der Charaktere?
Was sie alle verbindet, ist ihre tiefe emotionale Aufrichtigkeit – sie alle lieben zutiefst und geben sich von ganzem Herzen hin, selbst wenn dies zu Liebeskummer und Tod führt. Diese Art von Verletzlichkeit ist auf der Bühne unglaublich kraftvoll darzustellen.
Aber dramatisch und stimmlich fordern sie mich auf unterschiedliche Weise heraus. Cio-Cio-San besitzt eine Art tragische Würde und Stärke, die sich langsam entfaltet, während Mimìs Zerbrechlichkeit von Anfang an präsent ist – sie ist intimer und innerlicher. Margherita in Mefistofele ist vielleicht etwas dramatischer, Tatjana hingegen ist eine schöne Kombination aus jugendlicher Leidenschaft und späterer, ausgeglichener Reife. Ich freue mich sehr darauf, ihre Entwicklung zu verkörpern – eine Rolle, die ich schon lange wegen ihrer emotionalen Komplexität bewundere.
Ein Highlight dieser Saison war für mich, Cio-Cio-San zu singen. Das Publikum in der Semperoper hat so sehr reagiert und mitgefühlt und die Rolle verlangt einem wirklich alles ab – stimmlich, emotional und körperlich. Es war anstrengend auf die bestmögliche Weise, und ich fühlte mich jeden Abend wie verwandelt.
Worin bestehen die musikalischen Höhepunkte und Herausforderungen der Partie der Tatjana? Gibt es für dich einen Lieblingsmoment?
Tatjanas Rolle ist voller emotionaler Tiefe, und das macht sie so lohnend – und so anspruchsvoll. Einer der ikonischen Momente ist natürlich die Briefszene. Sie ist nicht nur eine stimmliche Meisterleistung, sondern auch eine psychologische Reise in Echtzeit. Sie schüttet ihr Herz ungefiltert aus, ganz von den romantischen Idealen geleitet, die sie verinnerlicht hat. Musikalisch erfordert sie Ausdauer, Phrasierung und einen natürlichen Sinn für Dramatik. Es ist faszinierend, wie Tschaikowskys Musik mit ihr wächst. Im ersten Akt spiegelt der Gesang ihre jugendliche Verletzlichkeit wider – lyrisch, fließend, emotional offen. Aber im letzten Akt hat ihre Musik eine kontrolliertere Eleganz an sich. Die Gesangslinien werden beherrschter, ausgeglichener und spiegeln die Reife und Zurückhaltung wider, die sie entwickelt hat.
Einer meiner Lieblingsmomente ist tatsächlich die allerletzte Szene: ihr Schlussduett mit Onegin. In dieser Musik liegt eine solche Spannung: Es bleibt so viel ungesagt und doch sagt das Orchester alles. Es ist herzzerreißend, weil wir hören, dass die Liebe in beiden noch lebendig ist, aber Tatjana beschließt, wegzugehen. Diese Art von emotionaler Zurückhaltung, gepaart mit solch ausdrucksstarker Musik, ist sowohl eine Herausforderung als auch ein Geschenk für die Darstellenden.
In der Saison 2025/26 wirst du u. a. als Blanche (Dialogues des Carmélites), Liù (Turandot) und Micaëla (Carmen) zu erleben sein. Worauf freust du dich besonders?
Auf die Rolle der Blanche in Dialogues des Carmélites freue ich mich besonders. Es ist ein so tiefgründiges Stück, und Blanches innere Entwicklung – von Angst und Isolation zu spirituellem Mut – ist etwas, das mich zutiefst bewegt. Die Musik von Poulenc wirkt manchmal täuschend einfach, aber sie trifft genau das Herz. Die Darstellung dieser Schlussszene ist mit nichts anderem in der Opernliteratur vergleichbar, sie ist erschütternd und transzendent zugleich. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.
Liù in Turandot ist ein weiterer Favorit. Sie ist vielleicht nicht so oft auf der Bühne wie die anderen, aber ihre Präsenz ist so stark. Ihre Musik ist voller Zärtlichkeit, Reinheit und stiller Stärke. „Tu che di gel sei cinta“ ist eine dieser Arien, die mich immer wieder berührt, egal wie oft ich sie singe.
Dazu ist Micaëla in Carmen ein schöner Kontrast – in gewisser Weise geerdeter. Ich liebe die Aufrichtigkeit ihrer Musik, und die Herausforderung besteht darin, aus ihr mehr als nur das „nette Mädchen“ zu machen – ihren Mut und ihre emotionale Komplexität wirklich zu zeigen.
Ich freue mich sehr auf diese verschiedenen Partien, die jede für sich einen anderen Teil von mir als Darstellerin abverlangt!