»Semper!«-Magazin

DREI 2022/23

Vorwort

Liebes Publikum,

Einmal mehr haben wir uns Großes für Sie vorgenommen: Im Januar und Februar öffnet sich der Vorhang für Richard Wagners Opus Magnum, »Der Ring des Nibelungen«. Am Pult der Sächsischen Staatskapelle steht Chefdirigent Christian Thielemann; ein erstklassiges Solist*innen-Ensemble und der Sächsische Staatsopernchor werden auf unserer Bühne in der legendären Inszenierung von Willy Decker zu erleben sein! Einmal mehr wird die Semperoper Dresden damit zum Anziehungspunkt für ein wagnerbegeistertes internationales Publikum und so ein wenig Festspielatmosphäre in die Stadt bringen. Für dieses »Semper!«-Magazin haben wir unser Ensemblemitglied, Kammersängerin Christa Mayer, die in Willy Deckers Inszenierung von Anbeginn in verschiedenen Rollen mitgewirkt hat, zu ihrer Sicht auf das Werk und die Inszenierung befragt.

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Lesen Sie, was es mit dem Wagner-Zitat »Ich bin ihnen gut, diesen untergeordneten Wesen in der Tiefe« auf sich hat, und wie Christa Mayer ihre verschiedenen Rollen in »Der Ring des Nibelungen« mit unterschiedlichen Dirigenten erlebte. Darüber hinaus verrät die Sängerin, wie wohltuend es für sie in unserer durchgetakteten, schnelllebigen Welt ist, zu den Aufführungen ganz auf die Musik und das Bühnengeschehen fokussiert zu sein.

In Semper Zwei wiederum schaffen wir Raum für ein Werk der jüngeren Zeit. Aribert Reimanns »Die Gespenstersonate« wird Mitte Februar in der Inszenierung von Corinna Tetzel und unter der Musikalischen Leitung von Yura Yang ihre Dresdner Erstaufführung erleben und damit ein Stück zeitgenössisches Musiktheater und gleichzeitig eine kluge und scharfsinnige Gesellschaftsanalyse. Lesen Sie mehr zu dieser 1984 uraufgeführten Oper nach der literarischen Vorlage von August Strindberg und wagen Sie mit unserem Gastautor Dr. Harald Lamprecht einen »Blick hinter den Vorhang« einer vermeintlich entzauberten Welt.

Und noch eine selten gespielte Oper bereiten wir für Sie vor: Giuseppe Verdis »Attila« in konzertanten Aufführungen mit einem erlesenen Sänger*innen-Ensemble. Pandemiebedingt musste diese Aufführungsserie im Dezember 2020 entfallen, nun endlich aber steht diese selten zu hörende Oper mit ihren faszinierenden Orchesterfarben, großartig angelegten Chorszenen und ihrer packenden Geschichte auf dem Spielplan der Semperoper.

Last but not least hebt sich der Vorhang für die Kinderoper »Das schlaue Gretchen« noch pünktlich zur (Vor-)Weihnachtszeit. Regisseurin Andrea Kramer wird, nach ihrer gefeierten Inszenierung von »Schneewitte«, diese Oper für alle ab acht Jahren in Szene setzen – freuen Sie sich auf diese Neuproduktion der Jungen Szene! 

Wir wünschen Ihnen an dieser Stelle besinnliche Feiertage und einen guten Start in das neue Jahr. Bleiben Sie uns treu oder entdecken Sie uns wieder – es lohnt sich!

Herzlichst, Ihre
Susanne Springer
Leiterin Kommunikation und Marketing


Premiere

Weißer Porzellankopf auf schwarzem Grund
Premiere

Das Unsichtbare und Unausgesprochene

Aribert Reimanns Kammeroper »Die Gespenstersonate« zählt zu seinen meistgespielten Werken. Sie erlebt nun in Semper Zwei in einer Inszenierung von Corinna Tetzel ihre Dresdner Erstaufführung

»Das Milchmädchen kommt zum Brunnen, trinkt einen Schluck aus der Schöpfkelle, wäscht sich die Hände, ordnet ihr Haar, sich im Wasser spiegelnd. Der Student kommt und geht auf den Brunnen zu.« Nach diesem stummen und zugleich poetischen Auftritt des Milchmädchens zu Beginn der Oper spricht der Student sie an, doch das Wesen scheint verwirrt und antwortet nicht. Als gleichzeitig der Alte, Direktor Hummel, die Situation beobachtet, fragt dieser sich, mit wem der Student wohl redet, denn er sieht nebst dem Studenten keine andere Person in der Nähe. Diese geisterhafte Szene in Aribert Reimanns Kammeroper »Die Gespenstersonate« zeigt gleich von Anfang an auf, dass gewisse Figuren in diesem Stück über Fähigkeiten verfügen, die anderen verwehrt bleiben, und dass das Oszillieren zwischen Realität und Imagination ein zentraler Bestandteil des Werkes ist.

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Aribert Reimanns »Gespenstersonate« erzählt von einer skurrilen und zugleich morbiden Gemeinschaft, bei der jede und jeder sein düsteres Geheimnis mit sich trägt und sich davor fürchtet, dass die unausgesprochenen Lügen und verhängnisvollen Geschichten eines Tages ans Licht kommen könnten. Im ersten Moment erscheinen die Beschreibungen verstörend, sie entpuppen sich jedoch auch als groteskes und humorvolles Spektakel. Mit seinen mehr als 20 verschiedenen Lesarten seit ihrer Uraufführung zählt »Die Gespenstersonate « zu den bedeutendsten Kammeropern aus jüngerer Zeit – daher ist ihre Dresdner Erstaufführung mehr als überfällig.

EIN MEISTER DES MUSIKTHEATERS

Als die Kammeroper »Die Gespenstersonate« am 25. September 1984 im Theater Hebbel am Ufer in Berlin uraufgeführt wird, ist der deutsche Komponist schon lange kein Unbekannter mehr. Aribert Reimann, in der Spielzeit 2019/20 Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle Dresden, zählt bis heute zu den wichtigsten und prägendsten zeitgenössischen Komponisten der Welt. Am 4. März 1936 wurde er in Berlin geboren; schon im Alter von zehn Jahren entstanden erste Kompositionen für Klavier. Während er erfolgreich eine Pianistenlaufbahn als Solist und Liedbegleiter begann, komponierte er gleichzeitig Werke für Gesang, für Kammermusikbesetzung, für Orchester sowie neun Opern. Seinen größten Erfolg feierte er 1978 mit seiner zweiteiligen Oper »Lear« (nach »König Lear« von William Shakespeare) für die Bayerische Staatsoper.

Kein Wunder, dass er nach dem monumentalen Werk mit seinen gewaltigen Dimensionen nach einer Verkleinerung des Klangkörpers suchte: »Die erste Zeit an der ›Gespenstersonate‹ fiel mir furchtbar schwer, aber dann stellte ich fest, dass es gar nicht notwendig ist, 80 oder 90 Instrumente zu gebrauchen, es genügen auch 1 oder 2 Stimmen – man kann Vergleichbares auch in der Reduktion sagen.« Die Partitur wirkt quasi filetiert, die dichten Cluster sind verschwunden, nur noch die Essenz im Notensatz bleibt übrig. »Ich habe versucht, mir die Besetzung so zusammenzustellen, dass ich mit zwölf Instrumenten die größten Situations- und Farbmöglichkeiten habe und auch einen für zwölf Instrumente relativ großen Klang erzeugen kann.« Dem Orchester setzt er ein neunköpfiges Sänger*innen-Ensemble gegenüber. Die Instrumente sind mehr als Begleitstimmen, sie treten hier und da in einen Dialog mit einer/einem Sänger*in, als wären sie zusätzliche Figuren. Reimanns Musik ist hoch dramatisch und explosiv mit immensem rhythmischem Anspruch und ausgeklügelten Vierton-Intervallen jenseits von Dur und Moll. Dabei steht die Textverständlichkeit stets an erster Stelle, weswegen zentrale Passagen auch gesprochen werden. Wenn auch ariose Gesangslinien eher rar sind, ist die Partitur zugänglich und drückt sehr genau die inneren Gefühlszustände und die Brüche der Figuren aus. Der seit der Entstehung der Kunstform Oper begleitende Streit »Prima la musica e poi le parole« (Erst die Musik und dann die Worte) wird hier beigelegt. Vorzüglich schafft Aribert Reimann eine Komposition, die Musik und Text so nahe verbindet, dass der Text manchmal musikalischer als die Musik selbst wirkt und umgekehrt – dies liegt nicht zuletzt daran, dass Aribert Reimann ein begnadeter Lied-Komponist ist.

ZWISCHEN EXPRESSIONISMUS UND SYMBOLISMUS

»Die Gespenstersonate« ist nicht Reimanns erste Strindberg-Vertonung. Fast zwanzig Jahre zuvor kam 1965 in Kiel die Oper »Ein Traumspiel« zur Uraufführung. Reimann hat an der »Spöksonaten« des schwedischen Dramatikers vieles gekürzt und gestrichen. Das Libretto, das Reimann selbst aus dem Schwedischen übertragen und mit Unterstützung von Uwe Schendel für Musik eingerichtet hat, ist dichter und kompakter. Die skandinavische Sprache ist Reimann nicht fremd, da seine Eltern 1949 auf Grund des Zweiten Weltkrieges und den damit verbundenen allgemeinen Lebensbedingungen in Berlin beschlossen hatten, ihren Sohn für sechs Monate zu einer Gastfamilie nach Stockholm zu schicken. Reimann sagt dazu: »Das halbe Jahr in Stockholm war für mich absolut überwältigend, weil ich noch nie zuvor eine heile Stadt gesehen hatte.«

In seinem Theaterstück stellt August Strindberg das Expressionistische und Symbolistische in den Vordergrund. Die Uraufführung am 21. Januar 1908 im Stockholmer Intima Theater, das Strindberg zusammen mit dem Schauspieler August Falck kurz zuvor gegründet hatte, stieß auf große Ablehnung. Als zu düster und pessimistisch wurde das neueste Werk Strindbergs aufgenommen. Erst eine acht Jahre spätere, spektakuläre Inszenierung durch Max Reinhardt in Berlin verhalf dem Werk zum Durchbruch. Nur ein paar Jahre nach der Uraufführung bespricht der expressionistische russische Maler Wassily Kandinsky in seiner berühmten Studie »Über das Geistige in der Kunst« die Mehrdeutigkeit der Sprache, ein Hauptmerkmal in diesem Theaterstück von Strindberg: »Das Wort, welches also zwei Bedeutungen hat – die erste direkte und die zweite innere –, ist das reine Material der Dichtung und der Literatur.« Insbesondere diese Ambiguität, die Doppeldeutigkeit, in der Sprache interessierte Reimann.

Auch wenn Strindbergs Dichtung mehr als 100 Jahre zurückliegt, an Aktualitätsbezügen hat dieser Stoff keineswegs etwas eingebüßt. Die Doppeldeutigkeit in unserer Sprache und unserem Handeln bestimmt mehr denn je unseren Alltag und wird vom wachsenden Einfluss der Sozialen Medien verstärkt. »Die Gespenstersonate« lädt daher zur Reflexion über soziologische und gesellschaftliche Zusammenhänge und bietet eine einmalige Möglichkeit, über Grundsatzfragen unseres Zusammenlebens nachzudenken. Dies funktioniert besonders eindrucksvoll in Semper Zwei, da das Publikum unmittelbar im Bühnenraum sitzt – und somit Teil des Gespenstersoupers ist. Halten wir die Konfrontation mit der Realität noch aus oder fliehen wir lieber in eine Traumwelt bzw. Wunsch-Fiktion? Dabei stellen wir hoffentlich fest, wie wichtig real funktionierende menschliche Beziehungen sind. Ein Plädoyer für den Humanismus!

VERSTRICKUNGEN UND ABHÄNGIGKEITEN

Corinna Tetzel, die das erste Mal an der Semperoper inszeniert, stellt in ihrer Interpretation diese auf erzählerischer und musikalischer Ebene sehr vielschichtige Zweckgemeinschaft in den Mittelpunkt. »Die persönlichen Verstrickungen und finanziellen Abhängigkeiten der Figuren untereinander sind unergründlich tief, ganz gleich, welchen sozialen Rang sie bekleiden. Alle agieren in einem Netz aus Unwahrheiten und gefälschten Biografien. Ausgehöhlte Beziehungen sind die Folge; eine Gesellschaft am Rande des Zusammenbruchs«, sagt Corinna Tetzel. Figuren, wie die einen Papagei nachäffende und im Wandschrank lebende Mumie, die sowohl zu den Toten als auch zu den Lebenden gehört, oder der Student mit der Gabe, Verstorbene wahrzunehmen, sind für die Regisseurin Zeichen dafür, dass in dieser Kammeroper Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfallen und untrennbar ineinander verwoben sind. Damit nimmt sie auch Bezug auf die vielen metaphorischen und symbolistischen Elemente, die sowohl bei Strindberg als auch bei Reimann stets die Dramaturgie bilden. Das Unsichtbare und Unausgesprochene wird in ihrer Lesart zum entscheidenden Faktor; die inneren Zustände zur Triebkraft für das Geschehen. 

Benedikt Stampfli

Verbrechen und Geheimnisse und Schuld binden uns! Wir haben uns unendlich viele Male getrennt, aber dann treibt es uns wieder zusammen …

DIE MUMIE

Ansichten

Ansichten

Romeo und Julia

Der britische Associate Choreographer des Semperoper Ballett David Dawson schuf mit seinem Ballett »Romeo und Julia « ein packendes Beispiel einer Welt voller Gegensätze, in der sich mit den Mitteln des Tanzes zwischen Ordnung und Chaos, Zartheit und Stärke die Geschichte in ihrer ganzen Tragik und Schönheit entfaltet. Die Sächsische Staatskapelle Dresden spielt unter der Leitung von Benjamin Pope die bekannteste Ballettmusik Sergej Prokofjews. 

Nahaufnahme

Nahaufnahme

Auf hohen Hacken

Seit Generationen stehen High Heels für Weiblichkeit – doch auch für Männer waren Absätze einst ein unverzichtbares Accessoire. Im Nahen Osten wurden sie jahrhundertelang als eine Art Reitschuh getragen. Wenn der Soldat in seinen Steigbügeln aufstand, half ihm der Absatz, seinen Stand zu sichern. Eine Welle des Interesses an allem, was persisch war, erfasste im 18. Jahrhundert Westeuropa. Die Oberschicht nutzte die unpraktische, unbequeme und luxuriöse Kleidung und das Schuhwerk, um ihren privilegierten Status zu verdeutlichen, indem sie diese als Alltagsschuhe losgelöst von der eigentlichen Funktion verwendeten. Zu den bemerkenswertesten Schuhsammlern der Geschichte gehörte zweifelsohne Ludwig XIV., der seine eher kleine Statur mit 10 Zentimeter hohen Absätzen zu kaschieren suchte. Für die Theaterbühne müssen Schuhe für die Künstler*innen händelbar sein. Gute und passgenaue Schuhe runden ein Kostüm häufig ab und verhelfen zu einem gelungenen Auftritt. Schuhmacher*innen am Theater beschäftigen sich mit allen Arten historischer und moderner Schuhe, so zum Beispiel mit dem Schuhwerk des Tanzmeisters für die aktuelle Inszenierung »Ariadne auf Naxos« von David Hermann. 

Oper

Oper

Wie sehr ich mich nach Rache sehne

Giuseppe Verdis frühes Meisterwerk »Attila« ist das erste Mal an der Semperoper als konzertante Aufführung zu erleben

Attila, der Hunnenkönig, überrennt auf seinem Siegeszug durch Italien Dörfer und Städte, so auch Aquileia. Odabella, die Tochter des gestürzten Herrschers dieser Stadt, setzt sich zur Wehr. Beeindruckt von ihrer Tapferkeit, verliebt sich Attila in sie und überreicht ihr sein Schwert. Sie spielt dem Mörder ihres Vaters Gefühle vor. Zusammen mit dem römischen General und kaiserlichen Gesandten Ezio will Odabellas wirklicher Liebhaber Foresto den Hunnenkönig durch einen Gifttrank ermorden. Odabella vereitelt dies jedoch, da sie der Meinung ist, dass nur sie sich rächen darf. Am Ende gelingt es ihr schließlich, mithilfe des geschenkten Schwertes, Attila zu erstechen.

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Was für eine Geschichte! Eine junge Frau fällt nicht nur die mutige Entscheidung, Rache für ihren getöteten Vater zu nehmen, sondern verhindert auch einen Giftanschlag auf den Mörder ihres Vaters. Sie will selbst den Mord begehen und führt ihren Plan schließlich auch aus. Diese Entschlossenheit ist kaum zu überbieten. Gleich zu Beginn wird die Primadonna Odabella in ihrer hochdramatisch-virtuosen Auftrittscavatine als eine kriegerisch-auftrumpfende Amazone eingeführt. Ihr bedingungsloser Wille, selbst die Fäden in der Hand zu halten, zeugt von unfassbarer Größe und Stärke. Es erstaunt, dass Mitte des 19. Jahrhunderts – am 17. März 1846 findet am Teatro La Fenice in Venedig die Uraufführung statt – auf offener Bühne, also fürs Publikum sichtbar, ein Mord gezeigt wird. Noch verblüffender ist, dass die Tat von einer Frau begangen wird. Wenige Frauenfiguren in der Opernlandschaft des 19. Jahrhunderts besitzen diesen kaltblütigen, entschlossenen Charakterzug – in ähnlicher Weise wäre hier aber die 50 Jahre (!) später entstandene »Tosca« zu erwähnen, deren Titelheldin im 2. Akt Baron Scarpia ebenfalls auf offener Bühne ersticht. Giuseppe Verdi schafft mit Odabella eine weibliche Opernfigur, die die eigentliche Protagonistin des Werkes ist – auch wenn der Operntitel den historisch belegten Hunnenkönig, der im 5. Jahrhundert n. Chr. für Angst und Schrecken sorgte, in den Vordergrund stellt.

DER DRAMATIKER ZACHARIAS WERNER

Nach dem sensationell aufgenommenen Triumph von Giuseppe Verdis dritter Oper »Nabucco« am Teatro alla Scala in Mailand am 9. März 1842 wurde der Komponist von Opernaufträgen aus den italienischen Metropolen nur so überschwemmt. Nach Opernprojekten in Mailand, Venedig, Rom und Neapel erteilte ihm das Opernhaus in Venedig einen weiteren Auftrag. Da Verdi schon einmal mit der Vertonung einer deutschen Vorlage für Euphorie sorgen konnte, sollte ihm nun ein anderer Deutscher – zu jener Zeit kein unbedeutender Name – behilflich sein: der Dramatiker Zacharias Werner. Schon Ludwig van Beethoven war tief beeindruckt von der romantischen Tragödie »Attila, König der Hunnen« und spielte mit dem Gedanken, dieses Theaterstück zu vertonen. Ein Theaterstück, das schonungslos einen Konflikt zwischen zwei Völkern zeigt und an Brisanz und Aktualität nichts eingebüßt hat, da es als Spiegelbild von gegenwärtigen Kriegen fungieren kann.

Friedrich Ludwig Zacharias Werner, geboren 1768 in Königsberg und gestorben 1823 in Wien, war Sohn eines Historikers und Universitätsprofessors und einer pietistischen, dem religiösen Wahnsinn verfallenen Mutter. Sein Leben lang fühlte er sich sowohl von der Bühne als auch von der Religion angezogen. Rastlos reiste er quer durch Europa und verweilte u.a. in Weimar, wo er Johann Wolfgang von Goethe kennenlernte. Dessen Einfluss war, wie schon die Freundschaften mit E. T. A. Hoffmann und August Wilhelm Iffland, entscheidend für seine künstlerische Laufbahn. Ein Jahr nach seinem berühmtesten Stück »Martin Luther oder die Weihe der Kraft«, uraufgeführt 1806 in Berlin, verfasste er die romantische Tragödie in fünf Akten »Attila, König der Hunnen«, die er während eines Prag-Aufenthalts vollendete.

»Ein Stück, das bekenntnishaft unter dem Eindruck der napoleonischen Verwüstung Europas und der Befreiungskriege entstand und nur mit Mühe die Zensur passieren konnte. Werner war, insbesondere durch seine Freundschaft mit Madame de Staël, zu einer europäischen literarischen Größe geworden; Germaine de Staëls ›De l’Allemagne‹ prägte auch in Italien entscheidend die Wahrnehmung der deutschen Literatur. Dennoch: Werners ›Attila‹-Drama wurde weder ins Italienische noch, abgesehen von zwei Auszügen, ins Französische (das Verdi fließend beherrschte) übersetzt. Wie und in welcher Form der Komponist, über Staël hinaus, Kenntnis von dem Stück erlangt hat, ist einigermaßen unklar«, stellte der Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken fest.

DIE GESCHICHTE DES »ATTILA«-LIBRETTOS

Am 12. April 1844 schrieb Verdi einen Brief an seinen Librettisten Francesco Maria Piave, mit dem er im gleichen Jahr die beiden Opern »Ernani« und »I due Foscari« auf die Bühne brachte, und bekundete darin seine Begeisterung für Werners »Attila«-Drama. Doch Piave wird aus rätselhaften Gründen im Sommer 1845 von diesem Opernprojekt abgezogen. An seine Stelle trat Temistocle Solera, den Verdi dank der guten Zusammenarbeit u.a. bei »Nabucco« bestens kannte. Während Verdi mit der Vertonung von Soleras Libretto begann, begab sich der Librettist mit seiner Frau auf eine Konzertreise nach Spanien. Alsbald kamen Änderungswünsche von Verdi am Textbuch, die der Dramatiker in der Ferne jedoch nicht einarbeiten konnte. Es kam zum Zerwürfnis der beiden, und Piave wurde zurückbeordert. Die Uraufführung im Teatro La Fenice in Venedig musste wegen einer schweren Erkrankung Verdis um drei Monate verschoben werden; die Begeisterungsstürme bei Publikum und Kritikern hielten sich jedoch am Tag der Premiere in Grenzen.

EIN SCHÜSSELWERK IN VERDIS OEUVRE

Die Semperoper hat sich zum Ziel gesetzt, verschiedene Werke aus Verdis umfangreichem OEuvre dem Publikum vorzustellen. Nach den Neuproduktionen von »Aida«, »Don Carlo«, »Nabucco« und »La traviata « und vielen weiteren Verdi-Klassikern im Repertoire, erweitert »Attila« dieses Panorama – ein Werk, das an Feuer, Wuchtigkeit und Vitalität kaum zu überbieten ist. Für die Dresdner Erstaufführung im Februar 2023 konnte der gefeierte spanische Verdi-Spezialist Jordi Bernàcer gewonnen werden. Mit einer Traumbesetzung wie Georg Zeppenfeld als Attila, Anna Smirnova als Odabella und Tomislav Mužek als Foresto versprechen die konzertanten Aufführungen ein exklusives Erlebnis. Während Richard Wagner 1843 seine Stelle als Königlich-Sächsischer Kapellmeister an der Dresdner Hofoper annimmt und von einer »Ring«-Tetralogie noch träumt, hat Verdi mit »Attila« bereits einen Teil aus dem Nibelungen-Stoff vertont – beispielsweise besingen die Hunnen immer wieder den germanischen Gott »Wodan«. Daher ist es einmalig, dass im Winter der diesjährigen Spielzeit sowohl »Der Ring des Nibelungen« als auch »Attila« quasi gleichzeitig erklingen. 

Benedikt Stampfli

Vater, sieh in mein Herz und sag ihm, wie sehr ich mich nach der Rache sehne.

ODABELLA

Premiere

Premiere

Lust auf Rätsel?

Im Dezember feiert Martin Smolkas Kinderoper »Das schlaue Gretchen« ihre Dresdner Erstaufführung in Semper Zwei und fordert nicht nur die Mitspieler*innen des Stückes zum Mitraten auf

Bühnenbild von »Das schlaue Gretchen« bestehend aus übergroßen Saftkartons, Kekspackungen, einer Rutsche aus einer Zahnpasta-Packung und einer Streichholzschachtel mit Streichhölzern

»Gefahren – nicht gefahren. Des Nachts – bei strahlender Sonne. Rasant – und langsam. Blond gelockt – mit schwarzem Haar. Mit Geschenk – ohne Geschenk«, lautet die Aufgabe, die der König Grete, der Tochter des Fischers, für ihren Weg in sein Schloss aufgibt. Dieses scheinbar unlösbare Rätsel versetzt nicht nur Gretchen und ihre Eltern in kreative Rätsellaune, sondern dessen schließlich sehr einfallsreiche Lösung beeindruckt den König derart, dass er sich auf der Stelle in sie verliebt und zu seiner Königin macht. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Das ist nicht verwunderlich, geht doch die Geschichte der 2006 für das Staatstheater Nürnberg komponierten Oper »Das schlaue Gretchen« auf eines der bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm zurück: »Die kluge Bauerntochter«, die sich lediglich in ein Fischernetz gewickelt, an den Schwanz eines Esels gebunden auf der Grenze zwischen Weg und Wiese zum Königschloss schleppen lässt, damit das Rätsel erstaunlich kreativ löst, und am Ende ihrem geliebten König auf äußerst einfallsreiche Weise ihre Liebe beweist.

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Es existieren zahlreiche Adaptionen des Stoffes in Literatur, Musik und Schauspiel, deren Kern immer die unmöglichen Aufgaben eines Königs an ein kluges Mädchen bilden, das diese mit Bravour und Einfühlungsvermögen zu lösen weiß. Auch in Dresdens direkter Nachbarschaft, in Tschechien, gibt es eine große Tradition des Erzählens bzw. des Nacherzählens dieser Geschichte, angereichert mit neuen Elementen. So war die berühmteste Sammlerin und Bewahrerin von Erzählungen, Sagen und Märchen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schriftstellerin Božena Němcová, durch deren Neuerzählungen viele verschiedene Folgen von Märchen und Sagen, u.a. der Gebrüder Grimm, in die tschechische Literatur Eingang fanden. Eines ihrer berühmtesten Werke ist sicher »Über Aschenputtel«, das unter dem Filmtitel »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« weltberühmt wurde. Auf Němcovás reichen Schatz an Erzählungen griff auch der Autor und Schauspieler Jan Werich zurück, der in vielen tschechischen Märchenfilmen und Serien mitspielte und ebenfalls selbst Erzählungen und Märchen adaptierte und neu verfasste. Und so wurde aus der »Klugen Bauerntochter« die Geschichte der »Königin Rolleriana, die Erste«, die als Vorlage für Martin Smolkas Kinderoper diente:

In einem Königreich geraten ein Müller und ein Fischer in Streit miteinander über eine Wasserquelle. Der junge König des Landes will jedoch die Frage, wer Recht bekommt, nicht durch einen königlichen Beschluss klären, sondern gibt beiden Männern drei Rätsel auf, die sie bis zum kommenden Tag lösen müssen: Was ist das Nützlichste auf der Welt? Was ist so schön wie sonst nichts? Was ist der schlimmste Feind des Menschen? Aber gibt es immer nur die eine, richtige Lösung? Und weiß ein König eigentlich immer, was richtig ist? Der Fischer hat jedenfalls Glück, denn er hat zuhause eine überaus schlaue Tochter namens Grete, liebevoll auch Gretchen genannt, die sich erfindungsreich und zielsicher kluge Antworten auf die doch sehr philosophischen Fragen des Königs einfallen lässt – und damit Weitsicht, Gefühl und soziale Integrität beweist, alles standesunabhängige, menschliche Eigenschaften übrigens. Es kommt, wie es kommen muss. Der König ist von den Antworten des Fischer beeindruckt und weiß gleichzeitig, dass nicht er sich das hat einfallen lassen. Und so wird er auf Grete aufmerksam. Natürlich löst sie das schwierigste Rätsel (siehe oben) ebenfalls mit Bravour, kommt auf einem Rollerins Schloss und die beiden werden ein Paar. Und unversehens wird aus dem klugen Mädchen eine junge Königin. Doch sie darf sich nicht in die königliche Regierung einmischen. Als sie es doch tut, verstößt sie der König, jedoch nicht ohne ihr die Möglichkeit zu geben, »das Liebste aus dem Schloss mitzunehmen «. Und was macht Grete? Natürlich, sie nimmt den König mit! Und am Ende verzichtet er auf den Thron und sie wird … Königin Rolleriana, schließlich ist sie damals auf einem Roller zu ihm gekommen.

Der tschechische Komponist Martin Smolka (*1959) ist im europäischen Raum vor allem für seine vielseitigen Kompositionen für Stimme, Orchester und Film (v.a. Stummfilme) bekannt geworden. Dabei steht vor allem die Erkundung des Klangs in einfachen und zusammengesetzten Formen, repetitiven Momenten und mit überraschenden Effekten im Mittelpunkt. 2006 widmete er sich mit dem »Schlauen Gretchen« dem Abenteuer Kinderoper, wo neben witzigen sprachmelodischen Experimenten, die liebevoll die Figuren charakterisieren, eine ganze filigrane Klangwelt aus originellen Cluster- und Akkordklängen entstand. Komponiert für vier Sänger*innen, einen Schauspieler und 13 Musiker*innen verspricht Smolkas Komposition jede Menge neue Entdeckungen. In der Inszenierung der Kinder- und Jugendtheater- Regisseurin Andrea Kramer führt die Geschichte über das furchtlose, ideenbegabte Mädchen das Publikum in eine Parallelwelt winzig kleiner Leute im hohen Gras, mit riesengroßer Spiellust, Erfindungsgeist und Liebe zum Lösen von Rätseln. Die Figuren erfinden ein Spiel im Spiel und stellen sich, beobachtet vom großen und kleinen Theaterpublikum, den großen Fragen der Menschheit nach dem Mit- und Füreinander, den Strukturen und Legitimierung von Macht, nach dem Klugsein und was das überhaupt bedeutet.

Semper Zwei verwandelt sich in eine Spiel-Wiese, auf der aus einem Orangensaftkarton schon mal schnell ein kleines Haus und aus einer Zahnpastatube eine Rutsche wird – und es jede Menge Sachen gibt, aus denen die Bewohner *innen wundersame Dinge bauen können. Und immer haben die kleinen Menschen Hilfe von »Außen«, von den großen Menschen, genannt Kinder, die miträtseln, -denken und -basteln. Los geht’s!

Wer schon mal vor der Premiere zu Besuch auf die Wiese kommen möchte, kann bei der Kostprobe einen ersten Eindruck von Inszenierung, Bühne und Musik erhalten. 

Juliane Schunke

kurz und bündig

kurz und bündig

Die Sächsischen Staatstheater bei der Messe »KarriereStart«

Vom 20. bis 22. Januar 2023 findet in Dresden Sachsens Bildungs-, Job- und Gründermesse »KarriereStart« statt. Die Sächsischen Staatstheater werden in der Messe Dresden als einer von 480 Aussteller*innen vertreten sein und unter dem Motto »Zukunft selbst gestalten« über die Ausbildungsberufe an den Sächsischen Staatstheatern informieren. So vielfältig wie die Inszenierungen auf den Bühnen der Oper und des Schauspielhauses sind die Möglichkeiten einer Ausbildung: Bühnenmaler*in, Bühnenplastiker*in, Fachkraft für Veranstaltungstechnik, Maßschneider*in, Schuhmacher* in, Mediengestalter*in für Bild und Ton, Konstruktionstechniker*in, Raumausstatter*in und Tischler*in.

Weitere Infos

2x2 Fragen

2 x 2 Fragen

... an Andreas Schager

Der österreichische Tenor Andreas Schager in der Rolle des Siegfried in Wagners »Der Ring des Nibelungen«

GIBT ES FÜR SIE EINEN MUSIKALISCHEN LIEBLINGSMOMENT IN »DER RING DES NIBELUNGEN«?

Der »Ring« ist so reich an musikalischen Highlights, dass es mir schwerfällt, einen bestimmten Lieblingsmoment auszumachen. Aber das Waldweben im »Siegfried« geht mir immer nahe.

 

WAS ZEICHNET DIE ZUSAMMENARBEIT MIT CHRISTIAN THIELEMANN AUS?

Christian Thielemann kennt jedes Detail des »Ring« wie kaum ein anderer. Er weiß instinktiv vortrefflich, wie man Sängerinnen und Sänger mit den richtigen Tempi und der goldrichtigen Dynamik unterstützt.

KÖNNEN SIE PARALLELEN ZWISCHEN SICH SELBST UND DEM SIEGFRIED ZIEHEN?

Siegfried ist ein Naturbursche und zählt vor allem Tiere zu seinen Freunden. Ich selbst kenne diese Naturverbundenheit sehr gut aus meiner Kindheit auf dem Bauernhof.  

WORIN LIEGT DIE BESONDERHEIT, EINE DRAMATISCHE HELDENPARTIE ZU SINGEN?

Die dramatischen Helden, vor allem bei Wagner, brauchen etwas, was man nicht lernen kann: Bühnenpräsenz und Natürlichkeit im Zusammenhang zwischen Spiel und Musik. 

kurz und bündig

kurz und bündig

Plakat-Aktion im öffentlichen Raum

Aus Anlass des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg initiiert #WOD – Weltoffenes Dresden auch im Februar 2023 eine große Plakataktion. An verschiedenen Orten des Kulturstadtraums Dresdens werden individuell ausgewählte, großformatige Bildmotive zum Innehalten und Nachdenken auffordern. Das Motto der Aktion lautet in diesem Jahr »Wessen Krieg – Wessen Frieden«.

Interview

Der Ring des Nibelungen

»Ich bin ihnen gut, diesen Wesen der Tiefe«

Kammersängerin und Ensemblemitglied Christa Mayer schaut auf das 20-jährige Jubiläum von Richard Wagners Tetralogie »Der Ring des Nibelungen« in der Inszenierung von Willy Decker zurück, die in diesem Jahr ihre vierte Wiederaufnahme erlebt

Liebe Christa Mayer, Sie haben so viele Partien im »Ring des Nibelungen« gesungen, könnten Sie uns diese einmal aufzählen? Oder ist es einfacher, die Partien zu nennen, die Sie nicht gesungen haben?

Nein, bestimmt nicht. Also vorweggeschickt, die Frauen haben es ein bisschen leichter im »Ring«, da es mit den Rheintöchtern, Walküren und Nornen viele kleinere Partien gibt, mit welchen man gut einsteigen kann. Und ich wurde ja 2001 an die Semperoper engagiert, eben um kleinere und mittlere Partien in der Neuinszenierung des »Ring« zu singen. In meinem Vorsingen damals saßen der damalige Chefdirigent Semyon Bychkov, der dann auch den »Ring« dirigiert hat, und Willy Decker. Ich weiß noch, wie ich die Treppe zum Probenraum hochging und Willy Decker mich schon ganz genau beobachtet hat, ob ich wohl passen würde. Im »Rheingold« habe ich zuerst die Floßhilde, später dann die Erda und Fricka gesungen. »Die Walküre« ging für mich mit Schwertleite los und später übernahm ich dann auch dort die Fricka. Im »Siegfried« habe ich Erda gesungen und in der »Götterdämmerung« schließlich dann insgesamt drei Partien: wieder Floßhilde, die Erste Norn und später die Waltraute.

Daran erkennt man zentrale Karriere-Schritte und eine Veränderung des Stimmfachs: Ausgehend von eher »leichteren« Partien wie den Rheintöchtern, hin zu einer Fricka oder Erda. Wie bereiten Sie sich auf diese Partien vor?

Also heutzutage muss ich mich auf Fricka und Erda stimmlich kaum mehr vorbereiten, weil ich das ja sehr oft singe und die Partien mir zutiefst vertraut sind. In diesen Rollen kann ich kurzfristig einspringen, was ja auch öfter mal der Fall ist. Es kommt mir aber eine Geschichte in den Sinn, die zeigt, wie wenig Erfahrung ich früher mit dem »Ring« hatte: Nach meinem Studium und bevor ich an die Semperoper engagiert wurde, gönnte ich mir einen Urlaub am Meer. Ich habe den ganzen Text der Floßhilde zur Vorbereitung rausgeschrieben. Es war ja mein absolutes Debüt sowohl auf der Opernbühne als auch im Wagnerfach. Ich schrieb also: »Wallalalalala walaleiajalei Heijaheijahaha! …« usw. Und endete mit: »So ein Schmarrn!«

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Es war so viel Neues, schwer Verständliches für mich. Aber ich war dankbar für den großartigen Einstieg: gleich mit Willy Decker zu arbeiten, dazu die tolle Ausstattung von Wolfgang Gussmann und die wunderbaren Kostüme von Frauke Schernau. Auch dass wir Rheintöchter zu dritt waren, half mir enorm und gab Sicherheit. Zusätzlich durfte ich den ganzen Abend zuhören und zuschauen, wie es andere Sänger*innen machen, und lernte so u.a. auch die Rollen der Fricka und Erda kennen.

Sie haben viele unterschiedliche »Ring«-Inszenierungen interpretiert. Wie war die Arbeit mit Willy Decker auf den Proben hier in Dresden?

Seine Arbeitsweise war großartig. Er kam uns sehr nahe, sprach leise und erklärte immer ganz in Ruhe. Eine Orchesterprobe blieb mir besonders in Erinnerung: Wir Rheintöchter warteten zwischen den Stuhlreihen versenkt, bis wir dann langsam hochkrochen, zunächst mit den Fingern über die Stühle bis hin zu dieser weißen Weltkugel, die dann das Gold sein wird. Willy Decker kam kurz vor dem Auftritt zu uns und sagte ein Zitat, das Richard Wagner wohl kurz vor seinem Tod über die Rheintöchter gesagt haben soll: »Ich bin ihnen gut, diesen untergeordneten Wesen in der Tiefe.« Das wars. Damit hatte er eine tolle Atmosphäre geschaffen, und uns eine Wertigkeit gegeben. Ich war maßlos beeindruckt von ihm.

Gibt es eine Anekdote zu einer der Wiederaufnahmen in den vergangenen Jahren?

In einer »Walküre«-Vorstellung 2008 – ich habe damals noch Schwertleite gesungen – musste die Sängerin der Grimgerde ganz kurzfristig absagen und die Sängerin der Waltraute erklärte sich spontan bereit, dass sie auch diese Partie singen kann und hat dann irgendwie beides gesungen. Aber auf der Bühne fehlte natürlich eine Walküre. Also warf sich unser Regieassistent Bernd Gierke, der das Stück sehr gut kennt, in Perücke und Kostüm und spielte die fehlende Walküre mit uns auf der Bühne. Während er spielte, flüsterte er uns in seiner roten Perücke Regieanweisungen zu wie »Gleich kommt Wotan: Panik!! …«, um uns anzufeuern – das war eine der lustigsten Vorstellungen.

Inwiefern hat Sie Willy Deckers Arbeit geprägt, auch für andere »Ring«-Inszenierungen?

Es ist tatsächlich so, dass ich aus diesem »Ring« bis heute unheimlich viel schöpfen kann. Beispielsweise die zwischenmenschliche Auseinandersetzung im Gespräch zwischen Wotan und Fricka in der »Walküre«. Diese starke Zweierbeziehung ist so toll angelegt und sie stimmt einfach. Wenn der/die Regisseur*in in einer Neuinszenierung des »Ring« irgendwo nicht weiterkommt, dann mache ich einfach ein Angebot – und nicht selten wird es dann auch dankend angenommen. So wandern ein paar Dinge von Dresden jetzt durch die Welt.

Es gibt so wahnsinnig viele verschiedene Themen in diesem vielschichtigen Werk. Welche Kernbotschaft finden Sie im »Ring«?

Als ich 2001 frisch von der Hochschule an die Semperoper kam mit diesem »Rheingold« als meiner ersten Neuproduktion, habe ich noch nicht nach einer Botschaft gesucht. Ich war einfach nur völlig begeistert, wo ich gelandet bin und was ich hier jetzt alles mitbekomme. Aus heutiger Perspektive scheint mir aber die Figur der Erda zentral: Sie kommt zu Beginn von Willy Deckers Inszenierung auf die Bühne und zieht den Vorhang auf. Sie setzt sich und beginnt zu träumen. Aus ihren Gedanken entsteht quasi die Musik und aus dem Bühnenboden erhebt sich die große weiße Weltkugel. Sie schaut dem allen zu – bis zum Raub des Goldes. Das Geschehen nimmt seinen Lauf. Bevor sich dann am Ende der »Götterdämmerung« der Vorhang schließt, erscheint Erda wieder mit einer neuen Kugel auf der Bühne, als ob sie fragen möchte: Wollen wir von vorne beginnen mit einer neuen Welt? Gibt es eine Hoffnung? Wenn ich das jetzt so sage, dann ziehe ich auch eine Verbindung zu unserer Gegenwart, denke ich an unsere Erdkugel, an das Klima. Aber wir bekommen keine neue Welt …

Sie haben hier viele verschiedene »Ring«-Dirigenten erlebt, welcher ist Ihnen speziell in Erinnerung geblieben?

Jede Aufführung des »Ring«, ganz gleich wer am Pult stand, ist eine starke Erinnerung. 2006 kam der »Ring« unter Fabio Luisi. Unter ihm durfte ich das erste Mal Erda und Waltraute singen. Das war so ein lebendiges Dirigat. Und jetzt die Zusammenarbeit mit Christian Thielemann: Als er 2016/17 das erste Mal den »Ring« hier dirigiert hat und ich mit ihm meine erste Fricka sang, kannte ich ihn schon etliche Jahre aus Bayreuth; sein Dirigierstil war mir also vertraut und diese unfassbare Fähigkeit, das Orchester zu zügeln. Diese Durchsichtigkeit im Musizieren, sodass die Stimmen ganz klar übers Orchester kommen, erzeugt eine magische Atmosphäre und unterstützt uns Sänger*innen enorm.

Alles wird schneller, die Mobilität, all unsere technischen Geräte. Eine »Götterdämmerung« hat vor 20 Jahren fünfeinhalb Stunden gedauert und ist heute auch nicht kürzer geworden. Eine so lange Zeit das Handy auszuschalten, ist für viele im Publikum etwas Außergewöhnliches. Man kann sagen, dass eine Opernaufführung immer mehr zu einem entschleunigenden Moment im oft durchgetakteten und gehetzten Alltag wird.

Der Schnelllebigkeit im Alltag kann man sich nicht entziehen. Umso mehr freue ich mich auf meine Aufführungen, weil ich dann ein paar Stunden ganz fokussiert bin, weil man nichts anderes sein kann. Ich empfinde es als sehr wohltuend, auf der Bühne alles andere draußen zu lassen – wie eine Meditation.  

Interview: Juliane Schunke, Benedikt Stampfli


Ansichten

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Der Ring des Nibelungen

2023 kehrt »Der Ring des Nibelungen« in der Inszenierung von Willy Decker auf die Bühne der Semperoper Dresden zurück. In zwei zyklischen Aufführungen wird Chefdirigent Christian Thielemann, der bedeutendste Wagnerdirigent, dieses musikalisch fulminante und in seiner Psychologie aufs Feinste ausgearbeitete Weltendrama gemeinsam mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die Richard Wagner selbst als seine »Wunderharfe« bezeichnete, zum Klingen bringen.

kurz und bündig

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Kostümverkauf in der Semperoper

Die Mitarbeiter*innen in den Kostümwerkstätten der Sächsischen Staatstheater fertigen jedes Jahr circa 2.000 neue Kostüme nach Maß. Am 22. Januar 2023 werden von 10 bis 15 Uhr zahlreiche Originalkostüme aus dem Kostümfundus in der Garderobenhalle der Semperoper zum Verkauf angeboten. Außergewöhnliche Kostümschätze für Opern- und Faschingsfans sowie für den nächsten großen modebewussten Auftritt können erworben werden.

Staatskapelle

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Vollendung und Leichtigkeit

Julia Fischer ist Capell-Virtuosin der Sächsischen Staatskapelle Dresden in der Konzertsaison 2022/23

Während Solist*innen in der Saison meist nur für ein Konzert gastieren, ermöglicht eine Residenz als Capell-Virtuos*in eine größere Anzahl an gemeinsamen Auftritten mit dem Orchester. Das lässt Raum für eine tiefere musikalische Zusammenarbeit und einen facettenreicheren Austausch, so auch 2022/23 mit Julia Fischer als Capell-Virtuosin der Sächsischen Staatskapelle Dresden.

Seit 20 Jahren gehört sie zur Spitze der Geigenelite und stellt ihren künstlerischen Facettenreichtum als Pianistin, enthusiastische Kammermusikerin und Professorin unter Beweis.

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Bereits mit drei Jahren erhielt sie ihren ersten Geigenunterricht, kurz darauf folgte zusätzlich die Ausbildung am Klavier. Im Alter von nur neun Jahren wurde sie Jungstudentin bei der renommierten Geigenprofessorin Ana Chumachenco in München, deren Nachfolge sie 2011 antrat. Heute teilt sie die Bühne mit den weltweit berühmtesten Orchestern oder geht mit dem Julia Fischer Quartett auf Tournee und darf auf erfolgreiche Einspielungen zurückblicken. Seit 2017 geht sie für ihre Aufnahmen jedoch einen neuen, unabhängigen Weg: Sie gründete mit dem »JF Club« ihre eigene Musikplattform, auf der ihre Veröffentlichungen exklusiv zu hören sind und auf der sie Einblicke in ihre Arbeit ermöglicht – ein Novum im Klassikmarkt.

Im 4. Symphoniekonzert mit der Staatskapelle Dresden und der anschließenden Tournee faszinierte Julia Fischer in den großen Violinkonzerten von Beethoven und Mendelssohn bereits durch ihre starke Präsenz und ihr virtuoses Spiel. Doch damit ist die künstlerische Bandbreite der Ausnahmegeigerin noch längst nicht erschöpft. Ihre Vielseitigkeit stellt sie im Februar mit einem Rezital unter Beweis, in dem sie Werke für Solovioline von Bach in der Semperoper erklingen lässt. In einem Sonderkonzert im April unter der Leitung von Petr Popelka erkundet sie mit Antonín Dvořáks »Romanze für Violine und Orchester f-Moll« und »Orchester in f-Moll« sowie der »Fantasie für Violine und Orchester g-Moll« seines Schülers Josef Suk zwei Kleinode der Violinliteratur jenseits der bekannten Solokonzerte. Und kurz darauf kann man Julia Fischer mit Werken von Martinů und Tschaikowsky gemeinsam mit Kapellmitgliedern als Kammermusikerin erleben. Ein abwechslungsreiches Residenzprogramm, das Julia Fischers Anspruch gerecht zu werden vermag: dem Publikum durch das Konzert ein emotionales Erlebnis zu vermitteln. 

Julia Meusel

Erleben Sie Julia Fischer im Rezital der Capell-Virtuosin, im Sonderkonzert mit der Capell-Virtuosin und im 7. Kammerabend:

Konzertkalender


Staatskapelle

Spielzeugkreisel und Vergänglichkeit

Im 5. Symphoniekonzert erklingt ein neues Werk von Olga Neuwirth, der Capell-Compositrice der Saison 2022/23

Mit jedem Werk von Olga Neuwirth scheint man in eine neue, und doch immer unverkennbar nach Neuwirth klingende Welt einzutauchen: eine Welt, die zweifellos zur zeitgenössischen Musik gehört, sich aber zugleich von überkommenen Stilkategorien gänzlich unbeeindruckt zeigt. In ihrem Schaffen begegnen sich musikalische Verweise auf Monteverdi oder Strawinsky genauso wie Avantgarde-Chansons des Pop-Countertenors Klaus Nomi und Anklänge an die Blasmusik des Balkans. Nicht umsonst erhielt die 1968 im österreichischen Graz geborene Komponistin in diesem Sommer für ihre »einzigartige, alle Genregrenzen überschreitende Klangsprache« eine der international renommiertesten Auszeichnungen im Musikbereich, den Ernst von Siemens Musikpreis.

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Auch ihrem neuen Orchesterwerk »Dreydl«, dessen Deutsche Erstaufführung die Staatskapelle im 5. Symphoniekonzert unter der Leitung von Tugan Sokhiev geben wird, liegt eine unvermutete Anregung zugrunde: Der Dreydl ist ein Spielzeugkreisel, mit dem Kinder am jüdischen Lichterfest Chanukka, das in diesem Jahr am 18. Dezember beginnt, um Süßigkeiten spielen. In Anlehnung an die Drehung des Dreydls treibt ein unablässig wiederholtes Schlagzeugmuster das Stück an, darüber errichtet das Orchester in kreisenden Läufen und Akkordschlägen gewaltige Crescendo- Bögen. Der geradezu körperliche Sog, den das Stück entfaltet, ist kein Zufall, vielmehr geht die Komponistin hier ihrem »Interesse an der Neugestaltung und Neuerfindung von tanzähnlichen Rhythmen« nach.

Dass die zyklischen Rhythmen in »Dreydl« dabei nicht nur kraftvoll motorisch, sondern bisweilen fast bedrohlich anmuten, auch das ist kein Zufall. Die Komponistin stellt dem Werk das jiddische Gedicht »Des Müllers Tränen« voran, in dem das pausenlose Drehen des Mühlenrads der Vergänglichkeit menschlichen Lebens gegenübersteht. Wie Olga Neuwirths Kunst insgesamt, so macht auch »Dreydl« in subtiler Weise die Widersprüche und Fragilität der menschlichen Existenz hörbar. 

Christoph Dennerlein

Hören Sie Olga Neuwirths Kompositionen im 5. & 12. Symphoniekonzert und im Porträtkonzert der Capell-Compositrice:

Konzertkalender


Staatskapelle

Staatskapelle

Größtes musikalisches Kunstwerk aller Zeiten und Völker

Der Kern von Johann Sebastian Bachs »Missa in h-Moll« entstand 1733 für Dresden

Im Konzert zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 dirigiert der Originalklang-Experte Philippe Herreweghe die »h-Moll-Messe«.

Der Leipziger Bachforscher Michael Maul bezeichnete sie treffend als »Mona Lisa der Musik«. Mehr als zwei Jahrhunderte zuvor, im Jahr 1818, als die Vokalwerke des einstigen Thomaskantors noch lange nicht wiederentdeckt waren, sah der Schweizer Verleger Hans Georg Nägeli in ihr »das größte musikalische Kunstwerk aller Zeiten und Völker«. Dass Johann Sebastian Bachs »Missa in h-Moll« BWV 232 in diesem Jahr zum Februar-Gedenkkonzert erklingt, schließt einen Kreis. Denn entstanden ist die Komposition zwar 1748 in Leipzig, als Bach sein OEuvre ordnete. Ihr Kern aber ist eine Kurzmesse aus Kyrie und Gloria, die der Thomaskantor 15 Jahre zuvor nach Dresden gesandt hatte, um den Ehrentitel »Hofcompositeur « bei der dort ansässigen Kapelle – der heutigen Staatskapelle – zu erhalten.

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Mit der Erweiterung um Credo, Sanctus und Agnus Dei am Ende seines Lebens wurde aus der »Missa Brevis« ein wegweisender Vokalzyklus, der alle liturgischen Rahmen sprengt. Ein Monument, mit dem der Thomaskantor etwas zu bewahren hoffte, was verloren zu gehen drohte. Wie in vielen Werken seiner Spätphase griff Bach auch hier auf eine von Forschern als »Parodieverfahren« benannte Arbeitsweise zurück: Bei der Komposition bediente er sich älterer Werke, versah sie mit anderen Texten und passte sie an die neue Formidee an.

Innerhalb der »h-Moll-Messe« kann dies idealtypisch beschrieben werden: Im »Gratias« aus dem »Gloria« von 1733 nimmt das Gotteslob zu Pauken und Trompeten breiten Raum ein. Schon dies überträgt einen älteren Kantatensatz: Als »Wir danken dir, Gott, wir danken dir« schmückte er zwei Jahre zuvor die Festlichkeiten zur Leipziger Ratswahl. Am Ende der 1748 vervollständigten Messe bediente sich Bach im »Dona nobis pacem« erneut dieser Musik: ein imposanter Satz, der der Bitte um Frieden den Ausdruck innerer Zuversicht und Glaubensgewissheit verleiht. Angesichts zunehmender Verunsicherung in der heutigen Zeit ist dies vielleicht die stärkste Botschaft, die Bach der Nachwelt hinterließ. 

Hagen Kunze

Freitext

Champagner hat’s verschuldet, tralalalala ...

Um sich an seinem Freund Eisenstein zu rächen, inszeniert Dr. Falke alias die Fledermaus ein Verwechslungsspiel beim Ball des Grafen Orlofsky. Dort treffen sich ein Marquis und ein Chevalier, eine ungarische Gräfin und Künstlerinnen in spe. Jedoch: Niemand ist der, für den er sich ausgibt.

Johann Strauss, »Die Fledermaus«

Historisches Archiv

»Die Liebe ließe ich nie!«

In dieser Spielzeit präsentieren wir Ihnen fünf Künstlerinnen, die an der Dresdner Staatsoper Musikgeschichte geschrieben haben. Anlässlich der Wiederaufnahme von »Der Ring des Nibelungen« berichten wir über die erste Dresdner Brünnhilde Therese Malten

Therese Malten gehörte zu den wohl bedeutendsten Sängerinnen ihrer Generation. Sie wurde vom internationalen Opernpublikum hofiert, von der Presse bejubelt und von den Dresdnern geliebt. Es heißt, dass ihr die Blumenhändlerinnen sogar ihre schönsten Sträuße schenkten, wenn sie über den Altmarkt flanierte. Ihre großartigen Bühnenfiguren, in denen Singstimme und dramatische Geste vollendet miteinander verschmolzen, berührten durch Lebendigkeit und Authentizität.

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Vor 170 Jahren wurde Therese Malten (1853 – 1930) im ostpreußischen Insterburg als Therese »Röschen« Müller geboren. Bereits im Alter von nur 20 Jahren debütierte sie am 30. Mai 1873 an der Dresdner Hofoper als Pamina in Mozarts »Die Zauberflöte« und erhielt sofort ein festes Engagement. Neben einer Vielzahl an lyrischen Partien, eroberte sie schnell das Repertoire im dramatischen Sopranfach, verkörperte u.a. Eurydike (»Orpheus und Eurydike«), Genoveva in Schumanns gleichnamiger Oper und Leonore (»Fidelio«), bevor sie sich verstärkt den Musikdramen Richard Wagners zuwandte. Der Bayreuther Meister erlebte sie 1881 selbst bei einem seiner letzten Dresdner Aufenthalte als Senta in »Der fliegende Holländer«. Begeistert von ihrer musikdramatischen Darbietung lud er sie ein, bei der Bayreuther Uraufführung des »Parsifal« die Partie der Kundry zu übernehmen. Von nun an standen »der Malten« die großen Opernmetropolen der Welt offen. Doch ihrer Wahlheimat Dresden und der Königlich Sächsischen Hofoper hielt sie insgesamt 30 Jahre lang unbedingte Treue. In die Dresdner Operngeschichte ging die gefeierte Kammersängerin auch als die erste Walküre ein – eine ihrer Lieblingspartien, die sie ab 1885 in allen drei Teilen des »Ring« verkörperte. »Welch eine Brünnhilde!«, jubelten die »Dresdner Nachrichten« am 4. Juni 1886, und auch die Zeitschrift »Die Moderne Kunst« bescheinigte ihr: »Das Heldenhafte, Pathetische, Düstere – kurzum das spezifisch Dramatische ist eben ihr eigentliches Lebenselement; als stahlgepanzerte und waffenschwingende Schlachtenjungfer Wotans und Loskieserin fühlt sie sich am Platze, wie nirgendwo sonst.«

Das Foto zeigt Therese Malten im Kostüm der Brünnhilde mit aufwendig verziertem Helm, Speer, Brustpanzer und Schild – eine strapazierfähige und dennoch gewichtsmäßig leichte Kombination, die das sogenannte schwere Fach sprichwörtlich »tragbar « machte. Im Inneren des Helmes hatte ein unbekannter Verehrer einige Jahre später Brünnhildes Schwur »Die Liebe lasse ich nie« leicht abgewandelt eingraviert und hielt damit dieses zeitlose Credo der zur Menschenfrau gewordenen Walküre für die Ewigkeit fest.

Am 13. Februar 1903 – anlässlich des 20. Todestages Richard Wagners – verabschiedete sich Therese Malten mit der Partie der Isolde von der Bühne, wie der Neue Theater Almanach berichtete: »Das Haus war bis unter’s Dach vollgefüllt […] Die Gefeierte [erschien], fast erdrückt von Blumen und Kränzen, wohl fünfzig Mal dankbar hervorgejubelt […] Endlich befahl sich das Publikum selbst Stille, und statt Pantomime und Kußhand kam nun das erlösende Wort: ›Heißen Dank für diese Liebe – ich kann … nicht … mehr!‹«  

Kathrin Rönnebeck


Education

Education

Däumling und Kirsa

Auf dem Weg in viele KiTas

Die Kinderoper »Nils Karlsson Däumling« hat mittlerweile über 50 Kindergärten besucht. Und schon stehen Tara, Mara und Kirsa bereit, um in das SEMPEROPER MOBIL einzusteigen und viele Kinder im Vorschulalter in ihrer KiTa zu besuchen. »Kirsas Musik« von Thierry Tidrow (Komposition) und Ilaria Lanzano (Text) ist ein a-capella-Stück, dessen Bühnenbild in drei große Taschen passt und (nahezu) überall gespielt werden kann.

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Wie in Astrid Lindgrens »Nils Karlsson Däumling« geht es auch hier um eine Freundschaft: Tara und Mara begegnen plötzlich Kirsa, der eine ganz eigene Art hat, sich mitzuteilen und die Freundschaft und Offenheit der beiden auf die Probe stellt. Beide Stücke dauern jeweils 25 Minuten. Vorab erfolgt eine kleine spielerische Einführung durch die Musiktheaterpädagogin und im Anschluss bleibt für die Kinder genug Zeit, um mit dem Ensemble zu reden und Fragen zu stellen.

Das Leitungsteam mit Shixin Sun (Musikalische Einstudierung), Kundry Rymon (Regie) und Sarah Wolters (Bühne und Kostüme) hat dafür gesorgt, dass das Stück mit der gleichen Ernsthaftigkeit einstudiert und geprobt wurde wie eine große Oper. Denn wie die Musiktheaterpädagogin Hannah Kawalek aus Erfahrung weiß, ist das junge Publikum durchaus kritisch – langweilig darf es jedenfalls nicht werden. Mit »Kirsas Musik« hat die Semperoper Education eine Kooperation mit der Musikhochschule Dresden begonnen: Marie Bieber und Felix Kober, zwei Gesangsstudierende, sind im Ensemble zusammen mit Jennifer Riedel mit dabei.

Die erste Serie von »Kirsas Musik« im November war komplett ausgebucht, weitere Vorstellungen werden im Juni 2023 folgen, und auch »Nils Karlsson Däumling« wird für eine weitere Vorstellungsserie auf Reisen gehen – in Dresden und auch weit über Dresdens Stadtgrenzen hinaus. Die Idee von Semperoper mobil ist es auch, jene Kinder mit Musik und Spiel in Kontakt zu bringen, die noch keine oder wenig Möglichkeiten haben, in die Semperoper oder in Semper Zwei zu kommen.

Im Frühjahr 2023 können sich dann Grundschulen auf »Die Kuh Gloria« freuen, die in die Klassenzimmer kommt.

All diese Projekte sind nur möglich, weil unser Publikum in den vergangenen beiden Jahren so großzügig gespendet beziehungsweise uns den Gegenwert nicht genutzter Karten zur Verfügung gestellt hat. Dafür danken wir im Namen des jungen Publikums sehr herzlich! Dank gilt auch der Sächsischen Semperoper Stiftung, die uns ebenfalls fördert. Wir möchten diese Projekte natürlich gern weiterführen und freuen uns daher über jede Unterstützung. 

Manfred Weiß


Opernvogel

Opernvogel

In der Drosselschmiede

Passend zum »Ring des Nibelungen« haben wir nach einem Waldvogel gesucht und sind auf einen munteren kleinen Kerl gestoßen: die Singdrossel. »Kleiner Kerl« ist hier tatsächlich die richtige Wortwahl, hatte Wagner doch für die Partie des Waldvogels in seiner Oper »Siegfried« ursprünglich eine Knabenstimme vorgesehen. In der Aufführungspraxis aber wird diese Rolle fast ausschließlich von einer Frauenstimme aufgrund der Stimmhöhe und deraußerordentlichen musikalischen und sängerischen Herausforderungen übernommen. Nun aber zurück zur Singdrossel. Unsere Wahl ist auch auf diesen Vogel gefallen, weil er sich durch seinen namensgebenden, sehr melodischen und variablen Gesang auszeichnet. Die 20 bis 22 Zentimeter große Singdrossel bewohnt Laub-, Mischund Nadelwälder, ist aber auch in Parks und Gärten zu finden und flächendeckend in ganz Deutschland beheimatet. Singdrosseln fressen gern Schnecken, deren Häuser sie auf einem Stein oder hartem Untergrund aufknacken. Solche Plätze mit zerschlagenen Schneckenhäusern werden »Drosselschmiede« genannt, ein erneuter Verweis auf Wagners »Ring des Nibelungen« – was für ein Zufall!

Richard Wagner, »Der Ring des Nibelungen«

Zuschauerfrage

GIBT ES EINE VEREINBARUNG, WIE SICH DIE KÜNSTLER*INNEN NACH DER VORSTELLUNG ZU VERBEUGEN HABEN?

Für unsere Künstler*innen regelt die Applausordnung den Ablauf nach der Vorstellung. Diese Applausordnung wird geprobt. Die Regisseur*innen oder die Regieassistent*innen legen fest, in welcher Reihenfolge sich die Künstler*innen am Ende der Vorstellung verbeugen. Der Premierenapplaus sieht vor, dass sich auch die sogenannte »schwarze Reihe« verbeugt. Dieser umgangssprachliche und theaterspezifische Begriff bezeichnet das Inszenierungsteam, das früher traditionell meist schwarze Kleidung trug. Stellvertretend für das Orchester tritt der/die Dirigent*in auf die Bühne. Ende des 18. Jahrhunderts bürgert sich die Sitte ein, am Ende der Vorstellung den Künstler*innen durch Beifall zu danken. Die Frage der Applausordnung wird zwischen 1770 und 1815 in zahlreichen Theaterjournalen kontrovers diskutiert. Im 19. Jahrhundert regelten vom sächsischen Monarchen verfügte Dienstordnungen die Arbeitsabläufe am Königlich Sächsischen Hoftheater. Davon zeugen die »Gesetzlichen Vorschriften« aus dem Jahr 1826, die in unserem Historischen Archiv verwahrt werden. Dort ist auch vermerkt, wie mit Jubelbekundungen des Publikums umzugehen war.

Sie fragen, wir antworten: Schicken Sie uns Ihre Fragen rund um die Semperoper per Post an Semperoper Dresden, Kommunikation & Marketing, Theaterplatz 2, 01067 Dresden oder per E-Mail an marketing@semperoper.de

Lieblingsmoment

Lieblingsmoment

Slapstick mit der Leiter

Als Küchenjunge in der Inszenierung von Christof Loys »Rusalka« beobachte ich zusammen mit der Figur des Wildhüters die Geschehnisse auf der Szene. Wir sind die einzigen lustigen Figuren in dieser Oper und es war eine große Verantwortung, einen passenden Kontrast zur Hauptgeschichte zu schaffen. An einer Stelle spielt eine Leiter als Bühnenrequisit eine wichtige Rolle. Slapstickartig wird diese zum wortwörtlichen Dreh- und Angelpunkt der Choreografie. Lang und sperrig kommt die Holzleiter daher und Küchenjunge und Wildhüter geben ihr Bestes, die Leiter während ihres Duetts zu beherrschen. Was für das Publikum lustig anzusehen ist, kostete uns viele Proben und ist von Aufführung zu Aufführung immer wieder eine Herausforderung. Ich bin froh, Sebastian Wartig als Bühnenpartner zu haben, weil er den schweren Teil der Leiter zu tragen hat. Gesangliche Höchstleistungen zu bringen und dabei solch einen Balanceakt zu vollführen, ist sicher ein Inszenierungsmoment, an den ich mich lange erinnern werde. Nicole Chirka, Solistin (Junges Ensemble)

Antonín Dvořák, »Rusalka«


Premierenrezept

Premierenrezept »Die Gespenstersonate«

Ein gespenstisches Gebäck

Baiser-Geister

ZUTATEN (für ca. 30 Geister)
100g Puderzucker, 100g Zucker, 3 Eiweiß, etwas Salz, 1TL Zitronensaft, Tube dunkle Zuckerschrift (alternativ: Kuvertüre)

Hier kommt ein sehr einfaches, aber gespenstisch wirkungsvolles Rezept – passend zu unserer Premiere »Die Gespenstersonate«: Mit Hilfe von einer Baiser-Masse stellen wir kleine und große Gespenster her, die nicht nur zum Kindergeburtstag oder Halloween eine fantasievolle Ergänzung der Kaffeetafel oder aber zum Nachtisch bilden.

Das Eiweiß wird mit einer Prise Salz und einem Teelöffel Zitronensaft steif geschlagen. Anschließend den Mix aus Zucker und Puderzucker langsam zum Eischnee geben und weiterschlagen, bis der Zucker aufgelöst ist. Die Masse wird nun mit Hilfe eines Spritzbeutels auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech gespritzt: entweder in Form dreier sich nach oben verjüngender Kleckse übereinander oder aber als kleine »liegende« Geister mit Kopf und Geistergewand.

Die Geister werden anschließend im auf 90° C Umluft vorgeheizten Backofen bei leicht geöffneter Ofentür für etwa 1,5 bis 2 Stunden getrocknet. Wenn sich die Geister trocken anfühlen und sich vom Backpapier leicht lösen lassen, können sie – komplett ausgekühlt – mit Zuckerschrift oder Kuvertüre ihr Geistergesicht bekommen und gern auch mit anderen Zutaten weiter verziert werden.  

Susanne Springer

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Archiv der Ausgaben des »Semper!«-Magazins bis zur Spielzeit 2011/12

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