Oper

Elektra

Richard Strauss

Tragödie in einem Aufzug Libretto von Hugo von Hofmannsthal

Premiere 19. Januar 2014

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Termine

Info

  • Werkeinführung (kostenlos)
  • 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Opernkeller

  • Führungen in der Semperoper
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Stück-Info

Ein packendes Psychogramm um Schuld und Sühne
Auf der Bühne ein Kammerspiel, im Orchester ein Klanggigant: In »Elektra« entspinnt sich eine Familientragödie der Gewalt und Monstrositäten und damit ein Psychogramm um Schuld und Sühne, Vergebung und Rache und die Frage nach Gerechtigkeit. Richard Strauss, der »Elektra« 1909 als Nachfolgestück seiner »Salome« für das Dresdner Opernhaus schrieb, erschuf hier gemeinsam mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal ein neues, gewalttätig-psychologisches Bild der antiken Mythologie. Die Regisseurin Barbara Frey hat Strauss’ Oper als packendes Drama inszeniert.

Handlung

Die Mägde erwarten Elektra, die um diese Stunde ihren Vater beweint. Sie verhöhnen sie und ihren Totenkult und haben kein Verständnis dafür, dass Klytämnestra sie noch im Hof duldet. Nur eine Magd sieht in ihr das Königliche und beklagt, dass sie ständig gedemütigt und geschlagen wird. Elektra kriecht aus ihrem Verschlag. Die Erinnerung, wie ihre Mutter und deren Geliebter, Aegisth, ihren Vater erschlagen haben, überkommt sie. Sie beschwört Agamemnon, sich zu zeigen, und sieht die Zeit der Rache herannahen.

Chrysothemis hat Neuigkeiten: Klytämnestra will Elektra in den Kerker werfen lassen. Sie macht der Schwester Vorwürfe, dass sie für ihr unfreies Leben verantwortlich sei. Sie hat nur einen Wunsch, endlich aus diesem Haus herauszukommen, denn der Bruder Orest, auf den sie beide sehnsüchtig warten, komme bestimmt nicht mehr.

Die Mutter kündigt sich an. Chrysothemis geht, da sie weiß, dass ihre Mutter schlecht geträumt hat. Elektra hingegen sucht die Konfrontation. Klytämnestra wundert sich, dass Elektra sich heute zugänglich zeigt. Sie vertraut ihr an, dass sie keine guten Nächte hat. Verzweifelt sucht sie nach einem Weg diese Träume loszuwerden. Elektra kennt einen: ihren Bruder Orest. Klytämnestra verbietet ihr, von ihm zu sprechen. Doch Elektra schreit der Mutter ins Gesicht, dass sie sie endlich von der Hand des Bruders sterben sehen will, so wie einst ihr Vater gestorben ist. Als zwei Dienerinnen Klytämnestra etwas ins Ohr flüstern, kann sich Elektra die Reaktion der Mutter nicht erklären.

Chrysothemis stürmt mit der Nachricht, Orest sei tot, zu Elektra. Ein Diener bringt die Neuigkeit zu Aegisth aufs Land. Elektra weiß, nun ist es an ihnen, die Tat zu vollbringen. Doch Chrysothemis will sich auf den Mord an Klytämnestra und Aegisth nicht einlassen. Also beschließt Elektra, es allein zu tun. Ein Fremder tritt herein und berichtet, Orest sei von seinen eigenen Pferden erschlagen worden. Elektra ist von dem Bericht tief getroffen. Da der Fremde Elektra für eine niedere Magd hält, wundert er sich über ihre Anteilnahme an Orests Schicksal. Die Geschwister erkennen sich, denn der Fremde ist Orest. Er ist gekommen, seinen Vater zu rächen, und er hat den eigenen Tod nur vorgetäuscht, um ins Haus eingelassen zu werden. Zitternd tritt er in das Haus. Gleich darauf ertönt Totengeschrei. Die Bediensteten des Hauses geraten in Angst und Schrecken. Aegisth kehrt vom Land zurück. Elektra weist ihm den Weg in Haus und Tod. Elektra stürzt zusammen.

Werkeinführung

Richard Strauss’ vielschichtiges Musikdrama »Elektra« wurde 1909 als dritte Oper von Strauss in Dresden unter der Musikalischen Leitung von Ernst von Schuch uraufgeführt. Es war die erste Zusammenarbeit des Komponisten mit dem genialen Textdichter Hugo von Hofmannsthal und sollte eine Reihe von fünf weiteren gemeinsamen Opern einleiten bis Hoffmannsthal 1933 plötzlich verstarb. Nach der 1905 uraufgeführten »Salome« wagte sich Strauss erneut an die Musikfindung für eine in inneren Extremen gefangene Figur. Das Publikum erwarten 105 Minuten packendes Drama um die mykenische Prinzessin Elektra, die den Mord an ihrem Vater Agamemnon rächen will und ihre gesamte Existenz auf dieses eine Ziel ausrichtet. Operndramaturgin Juliane Schunke gibt Einblicke in die Entstehung und Hintergründe des Werkes und der aktuellen Produktion von Barbara Frey.

Porträtzeichnung der Dramaturgin Juliane Schunke
Juliane Schunke, Dramaturgin; Zeichnung nach einem Foto von Ian Whalen

Elektras Trauma

»Wer hat uns je geliebt?«

Der Krieg kriecht den Menschen ins Rückenmark. Dort setzt er sich fest und lässt sie nicht mehr los … Elektra, Chrysothemis, Klytämnestra und Orest sind Opfer des Krieges, eines großen Krieges, des Trojanischen – wie im Grunde auch aller anderen Kriege. Die Logik des Krieges fordert Opfer. Agamemnon opfert seine Tochter Iphigenie auf dem Altar der Macht und der Schlachten. Das Verhängnis zieht ein in das Atridenhaus und weicht nicht mehr aus ihm. So wie jeder Krieg in alle Häuser einzieht. Und Klytämnestra folgt dem Gebot der Rache und erschlägt ihren Mann, der ihre Tochter umgebracht hat. Schuldhaft verstrickt sind nun Agamemnon und Klytämnestra. (…)

Wer sind die Protagonisten in Strauss’ und Hofmannsthals Elektra? Können wir sie als Heldinnen und Helden begreifen? Elektra, die sich selbst innerlich zerfleischt, aber unfähig ist zur Tat? Orest, der zitternd und zaudernd, von einem Schwächeanfall angegriffen, dann doch zum Mord schreitet, angetrieben vom Kreislauf der Rache und von Göttern, an die er im Grunde nicht mehr glauben kann? Chrysothemis, die sich nach Normalität sehnt, dem Tod das Leben entgegensetzen will? Sich sehnt nach einem Mann, sogar einen Bauern nehmen würde, einen Antihelden, keinen Soldaten, keinen Handwerker des Todes, sondern einen einfachen Mann mit Zukunft?

Er ist tot. Aber sein Tod ist nicht tot

»Er ist tot. Er ist tot. Aber sein Tod ist nicht tot.« Dieser Satz von David Grossman über seinen Sohn, der im Krieg gefallen ist, umschreibt auch den seelischen Zustand Elektras, die mit ansehen musste, wie ihr Vater geschlachtet wurde. Von Klytämnestra und Aegisth. Agamemnon ist tot. Aber sein Tod ist nicht tot. Der Mord an ihm ist nicht tot. Täglich imaginiert sich Elektra die Gräueltat in ihre Welt zurück, wacht mit ihr auf, verbringt mit ihr den Tag, schläft mit ihr ein und sieht sie in ihren Träumen. Sie ist gefesselt an diesen »Augen-Blick«, an das, was sie gesehen hat. Außerhalb dessen gibt es für sie kein Dasein. Mithin ist ihr Leben Erinnerung – oder aber eine Zukunft, in der nur die Rache Platz findet, der Triumph über den Tod der Vatermörder. Ihr fehlt jede sinnstiftende Gegenwart. Sie ist aus der Zeit gefallen.

Das »Prinzip Mann« ist so für Elektra zum »Prinzip Vater« geworden. Ihm und seinem gewaltsamen Tod bleibt sie inzestuös vermählt. Elektra fordert Sühne. Der eine Mord soll durch einen neuen Mord ausgelöscht werden. Ihre Mutter und deren Liebhaber, die den Vater mit einem Beil gemeuchelt haben, müssen selbst gemeuchelt werden.

Gewaltsam ausgeschlossen aus dem Haus, in dem die Tat geschah, ist Elektra auch von sich aus nicht mehr fähig, den Schreckensort zu betreten. Ihren wüsten Phantasien überlassen, hockt sie im toten Winkel, hilflos ihrem Trauma ausgeliefert, das sie sich in einer manischen Endlosschleife immer wieder zurückrufen muss. (…)

Elektra, Chrysothemis, Klytämnestra und Orest sind Teil einer hoffnungslos zerrütteten Familie, die vor der Opferung der ältesten Tochter Iphigenie vielleicht einmal eine glückliche Gemeinschaft war, nun aber, Jahre nach dem Mord an Agamemnon, in Schuld, Scham, Anklage, Verachtung und Hass versunken ist.

Keiner spricht, worüber gesprochen werden müsste

Keiner spricht, worüber eigentlich gesprochen werden müsste. Eine gemeinsame Sprache ist verloren gegangen. Es gibt nur noch den Schrei. Jeder ist gefangen in seinem eigenen Trauma und lebt in ihm auf seine ganz eigene Art. Es gibt keine Berührung mehr. Wiederholt Elektra zwanghaft das schockierende Erlebnis als Fest der Martern, so hat Klytämnestra es verdrängt. Im Unterbewusstsein der Mutter jedoch lebt die Schuld weiter; sie drängt sich machtvoll in ihre Träume und zersetzt ihr ganzes Nervensystem. (…)
Mutter und Tochter dämonisieren sich gegenseitig, und sie sind gleichermaßen hybrid: Klytämnestra ist die Heroin der Sublimation, Elektra die der Schwäche und des Aufbegehrens.

Ist Elektra auf den Tod fixiert, möchte ihre Schwester Chrysothemis gerettet werden. Sie war damals zu jung, um Zeugin des Vatermordes zu sein. Daher sieht sie eine Zukunft, sehnt sich hinaus aus dem Totenhaus, hat eine Vision von einem wirklichen Leben. Die Alternative zur Auslöschung ist für sie die Fortpflanzung; sie setzt das Leben gegen Tod und Vernichtung und scheut den fürchterlichen Stillstand Elektras und Klytämnestras. (…)

»Wer hat uns je geliebt?«, fragt Chrysothemis und leidet daran. Auch Elektra empfindet den Mangel an Liebe schmerzhaft, umso mehr wird sie von Rachegefühlen beherrscht, dass diese sie an der eigentlichen Tat hindern. Sie kann ihre Mutter nicht töten. Ihr Schicksal ist das Warten. Warten darauf, dass jemand die Tat für sie vollzieht. (…)

Der Kampf für und gegen die Erinnerung hat alle bis ins Mark erschöpft. Bleibt nur der Bruder als Hoffnung. (…) Die Geschichte neigt sich ihrem Ende zu. Elektra, die überwältigt ist von dem plötzlichen Erscheinen ihres totgeglaubten Bruders, sieht sich von Neuem konfrontiert mit ihren Ängsten. Orest symbolisiert die Gefährlichkeit des Mannes, aber auch die des Liebespartners. Sein Blick verstört sie. Denn er lässt sie die Wahrheit über sich selbst erkennen. Zum ersten Mal seit Jahren reflektiert sie sich: als hässliche, entwürdigte, geschundene Frau. Aber sie rettet sich in die Verklärung des Bruders als Traumbild, als zärtlichen, unnahbaren Komplizen aus einer anderen Welt und erinnert sich in seltsamer Unschuld an ihre eigene einstige Schönheit. Die kurz aufscheinende geschwisterliche Harmonie ändert jedoch nichts an Orests Auftrag: Er muss seine eigene Mutter und deren Liebhaber töten.

Herberge der Untoten

Er verschwindet im Haus, wird von ihm gleichsam verschluckt. Nur kolportierter Jubel gibt noch Kunde von ihm. Die Tat ist vollbracht. 

Das Haus des ermordeten Herrschers Agamemnon ist eine Herberge der Untoten, der Geister. Alle, die darin leben, sind vom Schrecken gezeichnet – und nur dann und wann ertönt aus der gewaltigen Musik ein feiner Klageruf, eine Sehnsucht nach Zärtlichkeit nach Ruhe und Frieden.

Der Mord des Orest an Klytämnestra und Aegisth ändert nichts; das neuerliche Blutbad erlöst niemanden von dem vorangegangenen Grauen.

Der finale Triumphtanz Elektras ist nur noch die Geistermusik ihrer erschöpften Seele; aus ihrem Körper ist alle Kraft gewichen. Chrysothemis, die ihre Schwester zusammenbrechen sieht, ruft klagend nach ihrem Bruder, dem Mörder. Der Ruf bleibt ungehört.

Ausschnitt aus dem Artikel »Von der Gewalt des Traumas« von Barbara Frey und Micaela v. Marcard. Der vollständige Artikel ist im Programmheft zu »Elektra« abgedruckt.

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