Oper

Così fan tutte

Wolfgang Amadeus Mozart

Dramma giocoso in zwei Akten Text von Lorenzo Da Ponte

Premiere 22. März 2014

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Stück-Info

»Così fan tutte«– »So machen’s alle«, versichert Don Alfonso seinen Freunden Ferrando und Guglielmo und will ihnen beweisen, dass auch ihre Verlobten Dorabella und Fiordiligi untreu sind, wenn sich nur die Gelegenheit ergibt! Die jungen Männer sind sich der Herzen und der Treue ihrer Verlobten so sicher, dass sie die Wette annehmen und sich auf ein emotionales Verwirrspiel einlassen, an dessen bösen Ende sich die Paare jeweils über Kreuz einander hingeben. Wolfgang Amadeus Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte nannten das Werk im Untertitel eine »Schule der Liebenden« – und machen so deutlich, dass »Così fan tutte«, das seit seiner Uraufführung 1790 in Wien auf Grund seiner Frivolität lange Zeit umstritten war, einen aufklärerischen Charakter hat. Diese Doppelbödigkeit und den humorvoll-genauen Blick in die verwirrten Herzen junger Liebender zeichnet auch die leichtfüßige Inszenierung von Andreas Kriegenburg aus, der lustvoll die Ästhetik des Stummfilm-Slapstick zitiert.

Handlung

1. Akt
Ferrando und Guglielmo glauben fest an die Liebe ihrer Verlobten Dorabella und Fiordiligi. So lassen sie sich leichtfertig auf eine Wette mit dem »Philosophen« Don Alfonso ein, der ihnen die Untreue ihrer Frauen beweisen will. Unter Befolgung seiner Regeln, innerhalb eines Tages und unter strengster Geheimhaltung des Vorhabens, sollen die Damen auf die Probe gestellt werden: Die Schwestern Fiordiligi und Dorabella erwarten ihre Geliebten, stattdessen erscheint Don Alfonso und eröffnet ihnen die schlechte Nachricht, dass ihre Männer unverzüglich in den Krieg ziehen müssen. Die Paare nehmen voneinander Abschied. Untröstlich bleiben die beiden Frauen zurück. Auch von ihrer Zofe Despina sind sie nicht aufzuheitern. Diese möchte ihnen schmackhaft machen, dass die Abwesenheit der einen die Chance auf ein Abenteuer mit anderen Männern ermögliche. Bereitwillig lässt sich Despina von Don Alfonso ködern, ihn bei seiner Wette gegen die Männer tatkräftig zu unterstützen. Als Ferrando und Guglielmo verkleidet als »Fremde« auftauchen und ihren Verlobten über Kreuz, also der jeweils anderen, Avancen machen, werden sie brüsk zurückgewiesen. Ein vorgetäuschter Selbstmordversuch der Fremden aus verschmähter Liebe – ein »Arzt« ist notwendig, die Scheintoten zum Leben zu erwecken – scheitert ebenso als Mittel, die Damen für sich zu gewinnen. Ein Hauch von Interesse an den Männern scheint jedoch bei Dorabella und Fiordiligi geweckt zu sein.

2. Akt
Despina wirbt bei ihren beiden Damen für die fremden Männer. Die Intrige beginnt deutliche Früchte zu tragen, denn nach einigem Zieren erliegt Dorabella Guglielmos Charme. Firodiligi scheint standhaft zu bleiben und plant schon, ihrem Verlobten ins Feld nachzuziehen. Aber schließlich gibt sie ihre eigenen Prinzipien auf und kann das Werben Ferrandos nicht mehr zurückweisen. Entsetzt darüber, dass ihre Verlobten offenbar zur Untreue fähig sind, treffen Ferrando und Gugliemlo auf Don Alfonso. Der nun feststehende Sieger ihrer Wette konfrontiert sie mit seiner Maxime über die Untreue der Frauen: »Così fan tutte« – so machen es alle! Schon plant Don Alfonso die Doppelhochzeit der sich frisch gefundenen Paare. Ein »Notar« ist einbestellt, doch während der Zeremonie tauchen wie aus dem Nichts die tatsächlichen Verlobten auf, Guglielmo und Ferrando – der Zeitpunkt für Don Alfonso ist gekommen, sein Spiel komplett aufzudecken. Die ursprünglichen Paare finden wieder zusammen.

Werkeinführung

»Cosi fan tutte« ist die dritte Oper, die nach »Le nozze di Figaro« und »Don Giovanni« der kongenialen Zusammenarbeit von Wolfgang Amadeus Mozart und dem Dichter Lorenzo Da Ponte entstammt. Wer die Idee zu dem ungewöhnlichen Menschen-Liebes-Experiment hatte, ob nur Frauen oder auch Männer der Untreue fähig sind, und wie Regisseur Andreas Kriegenburg das Werk deutet, davon erzählt der Opernführer online von Johann Casimir Eule.

Porträtzeichnung des Chefdramaturgen Johann Casimir Eule
Johann Casimir Eule, Chefdramaturg; Zeichnung nach einem Foto von Ludwig Olah

Slapstick

Sie dürfen jetzt lachen

Zur Ästhetik des Slapsticks

Ein Mann erleidet einen schweren Unfall: Er rutscht aus, verliert das Gleichgewicht und stürzt. Durch die Wucht des Sturzes wird eine ahnungslose Frau mitgerissen, die gegen einen Pfosten prallt. Aber keine Sorge: Der Slapstick fällt, Sie dürfen jetzt lachen.

So oder ähnlich mag das Szenario ausgesehen haben, welchem eine spezielle Komödienform ihren Namen verdankt: Der Souffleur gibt mit einem Stock den Einsatz für das Lachen des Publikums in einer Vorstellung. Der Slapstick zeigte dem Zuschauer, wann der Ernst des Lebens nur gespielt ist, wann Missgeschicke, Schmerz oder Tränen harmlos und lustig sein dürfen. Und er gab dem Darsteller die Möglichkeit, diese Missgeschicke und Unfälle zu simulieren, ohne sie wirklich am eigenen Leib zu erfahren. Als Slapstick wird auch die »Pritsche« des Narren bezeichnet, die bereits in der Commedia dell’arte verwendet wurde: Zwei miteinander verbundene Holzstöcke, die ein typisches Knall- oder Schlaggeräusch erzeugen und dem Spiel auf der Bühne zur Klangkulisse verhelfen, die rabiaten Körpereinsatz simuliert.

Kein anderes Genre hat den Slapstick so sehr verinnerlicht wie die Stummfilmkomödie. Die anfänglichen Beschränkungen des Mediums Film haben Komiker wie Charlie Chaplin oder Buster Keaton zum Prinzip einer Ästhetik erhoben – ihr clowneskes Spiel und die aus gewagten Stunts entstehende Situationskomik bedurften nicht vieler Worte. Statt großer Narration und Einfühlung bietet die Stummfilmkomödie eine Möglichkeit zur Distanzierung: Ihre Figuren sind so überdreht, so schablonenhaft überzeichnet, dass sie oft Marionettencharakter haben – in dieser »Mechanisierung des Lebens«, wie Henri Bergson die Komik umschreibt, steckt auch zumeist der Slapstick-Effekt. Und die Figuren sind so übertrieben ungeschickt, dass ihr Pech und ihre Pannen nicht ernst zu nehmen sind, dass eine Bedrohung ihres Schicksals unmöglich erscheint: »Die Stummfilm-Figuren kennen keinen Tod, keine Sexualität, kein Leiden«, konstatiert Psychoanalytiker Slavoj Žižek, »sie sind wie Cartoon-Figuren: Zerteilt man sie in Stücke, setzen sie sich von allein wieder zusammen – Endlichkeit oder Sterblichkeit existieren für sie nicht.« Die Logik des Slapstick besteht somit, ähnlich der Logik des Karnevals und der Maskerade, in der Aufhebung jeglicher Logik: Ein Spiel, bei dem alles erlaubt ist und nichts Konsequenzen hat, zumindest für eine Weile. Die Zeitlosigkeit des Slapsticks als Form rührt gerade daher, denn sie betrifft die wesentliche Funktion des Lachens: das Verkennen des Wissens um die Grenzen des Menschen. »In der Tat gibt derjenige, der lacht, sein Wissen nicht auf, sondern verweigert für eine gewisse, limitierte Zeit, dieses Wissen zu akzeptieren«, schreibt der Philosoph George Bataille.

Mit der Einführung des Tonfilms verschwand die Slapstick-Figur nicht von der Bildschirmfläche, aber sie stand vor einer neuen Herausforderung: Wie umgehen mit der Dimension der menschlichen Stimme, welche der stilisierten Stummfilm-Figur mehr Individualität und dem Zuschauer somit mehr Identifikationsmöglichkeit bietet? »Denn was mit dem Ton im Film einhergeht, ist ein Innenleben: Tiefe, Schuld, Gewissen«, so Slavoj Žižek – und damit das Eingestehen: Das Lachen hat ein Ende, irgendwann.

Swetlana Boos

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