Oper

Aida

Giuseppe Verdi

Opera lirica in vier Akten Libretto von Antonio Ghislanzoni

Premiere 5. März 2022

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Stück-Info

Heiligabend 1871. Im neu erbauten Opernhaus in Kairo hebt sich der Vorhang zur Uraufführung von Giuseppe Verdis Oper »Aida«. In einem kulturgeschichtlich denk-würdigen Moment verschmelzen abendländische und morgenländische Sehnsüchte nach Exotik hier und Adelung durch europäische Hochkultur dort zu einer fulminanten Aufführung. Seither gibt es wenige Operntitel, die populärer sind. Und das völlig zu Recht, birgt »Aida« doch mit ihren musikalisch-szenischen Effekten und exotischen Klängen, der raffinierten Farbigkeit in der Instrumentation und dem Wechsel zwischen Monumentalität und Intimität einen im besten Sinne musik-dramatischen Schatz. Mehr noch. Giuseppe Verdi spiegelt anhand der tragischen Liebe der äthiopischen Prinzessin Aida und des ägyptischen Heerführers Radamès, die zwischen den Interessen von Staat, Kirche und Verwandten zerrieben wird, den krisenhaften Zustand des modernen Individuums – um mit einem höchst berührenden Plädoyer für die utopische Kraft der Liebe zu enden.

Handlung

Erster Akt
Der Oberpriester Ramfis, ein enger Vertrauter der ägyptischen Königsfamilie, berichtet dem jungen Offizier Radamès, dass ein neuer Krieg gegen die Äthiopier bevorsteht und der Name des Truppenführers bald bekannt gegeben wird. Radamès hofft, als Feldherr der Ägypter in den Krieg ziehen zu dürfen. Er träumt von Sieg und Ruhm und seiner heimlichen Liebe zur äthiopischen Königstochter Aida, die als Sklavin am Königshof lebt. Amneris, die Tochter des ägyptischen Königs, liebt Radamès und hat die Hoffnung, ihn für sich zu gewinnen. Als sie ihn in euphorischer Stimmung antrifft und Aida hinzukommt, ahnt sie die Liebe zwischen Aida und Radamès. 
Der König schwört sein Volk auf den Krieg gegen Äthiopien ein, nachdem ein Bote vom Einmarsch der äthiopischen Truppen berichtet hat. Radamès wird zum Feldherrn ausgerufen. Kriegsbegeisterung bricht aus, in die auch Aida mit einstimmt. Aida erschrickt darüber, dass sie dem Mann den Sieg wünscht, der gegen ihr Volk in den Krieg zieht. In der Not, sich zwischen ihrem Geliebten und dem Vaterland entscheiden zu müssen, wünscht sie sich den Tod. Radamès wird in einer feierlichen Zeremonie auf den Krieg vorbereitet und mit den heiligen Waffen ausgestattet.

Zweiter Akt
Die Frauen warten auf die Rückkehr der siegreichen Krieger. Amneris träumt von einer gemeinsamen Zukunft mit Radamès. Und um herauszufinden, ob Aida Radamès ebenfalls liebt, gibt sie vor, dass dieser gestorben sei. Aida verrät sich durch ihr Entsetzen … Da gibt sich Amneris siegessicher als Rivalin zu erkennen. Radamès kehrt aus dem Krieg zurück. Zum Dank für seinen Sieg verspricht der König, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Radamès bittet um die Freilassung der äthiopischen Gefangenen. Unter den Gefangenen erscheint als einfacher Kämpfer verkleidet Amonasro, der äthiopische König und Vater Aidas. Die Priester fordern den Tod der Äthiopier. Das Volk bittet um Gnade für sie. Ramfis schlägt einen Kompromiss vor: Nur Aida und ihr Vater bleiben in der Hand der Ägypter. Als Belohnung für seinen Sieg gibt der König seine Tochter Amneris Radamès zur Frau. Amneris triumphiert.

Dritter Akt
In der Nacht vor der Hochzeit bitten Amneris und Ramfis um die Gunst der Götter. Ohne jede Zukunftshoffnung wartet Aida auf Radamès. Sie erinnert sich an die Schönheiten ihrer Heimat. Anstatt ihres Geliebten erscheint zunächst Amonasro. Der appelliert an seine Tochter, ihr Vaterland nicht im Stich zu lassen und verlangt von ihr, ihrem Geliebten die geheimen ägyptischen Kriegspläne zu entlocken. Radamès trifft auf Aida. Er gesteht ihr seine Liebe, die sie zwar erwidert aber für vollkommen hoffnungslos hält. Sie überredet ihn zur gemeinsamen Flucht und fragt ihn im letzten Augenblick, auf welchem Weg das ägyptische Heer unterwegs ist. Radamès gibt das Staatsgeheimnis preis. Amonasro hat ihn belauscht und gibt sich zu erkennen. Amneris und Ramfis treten hinzu. Radamès erkennt seinen Geheimnisverrat und ergibt sich dem Oberpriester.

Vierter Akt
Radamès ist des Verrates angeklagt. Amneris versucht verzweifelt ihn von seinem Geständnis abzubringen und ihn für sich zu gewinnen. Er lehnt ab. Die Priester sitzen über Radamès zu Gericht und fällen das Urteil: Lebendig wird der Verräter begraben. Amneris verflucht die Priester und ihre Urteile. Eingemauert erwartet Radamès den Tod und entdeckt plötzlich Aida. Sie ist zu ihm gekommen, um gemeinsam mit ihm zu sterben. Aida und Radamès entsagen dem Leben und sehen, wie sich ihnen der Himmel öffnet und ihre Seelen ins Licht der Ewigkeit fliegen. Amneris bittet um Frieden für das Paar.

Werkeinführung

Die Oper »Aida« von Giuseppe Verdi spielt nicht nur in Ägypten und wurde in Kairo uraufgeführt, sondern ist in ihrer gesamten Entstehungsgeschichte eng mit dem Land am Nil und seinem Vizekönig, dem Khediven Ismael Pascha, verbunden. Wie Verdi anfangs auf die Anfrage zur Komposition der Oper reagierte, und wie stark die zeitgenössischen Entwicklungen in Europa und Ägypten neben dem Interesse an der Archäologie das Werk beeinflussten, davon erzählt Johann Casimir Eule im Opernführer online. 

Porträtzeichnung des Chefdramaturgen Johann Casimir Eule
Johann Casimir Eule, Chefdramaturg; Zeichnung nach einem Foto von Ludwig Olah

»Aida« in Dresden

»Aida« in Dresden

Verdi, Ägypten und seine Zeit

Als Giuseppe Verdi 1870 von ägyptischen Vizekönig Ismael Pascha den Auftrag für die Komposition von »Aida« erhielt, galt er als der wichtigste italienische Komponist seines Jahrhunderts; Lust hatte Verdi anfangs nicht wirklich, er ließ sich bitten und stellte hohe Anforderungen. Allein das Kompositionshonorar von 150.000 Francs in Gold sprengte alles bis dahin Übliche. Und auch wenn ihm klar war, dass bei dieser Uraufführung im neu errichteten und ersten Opernhaus auf afrikanischem Boden, dem Königlichen Opernhaus in Kairo, die Weltöffentlichkeit mitfiebern würde, hatte er ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu dem Werk. Einerseits vertiefte er sich intensiv in Recherche und Studien zu diesem ägyptischen Sujet – andererseits zeigte er keinerlei Interesse daran, selbst nach Ägypten zu reisen und das Werk dort einzustudieren. Auch zeigte er sich den mit dem Auftrag verbundenen kulturpolitischen Zielen des Khediven skeptisch gegenüber. Forderte der Khedive doch unmissverständlich eine musikdramatische Hommage in altägyptischem Gewand an seine (militärischen) Projekte: Unter Ismael Pascha wurden Armee und Flotte nach europäischem Vorbild stark ausgebaut und in den Süden bis nach Dafur (teilweise) erfolgreiche Eroberungszüge geführt. 

Ismael Pascha war hierin (und in anderen Maßnahmen wie dem Ausbau der Eisenbahn, der Modernisierung der Verwaltung und dem Bau des Suez-Kanals) ein gelehriger Schüler der europäischen (National)-Staaten mit ihrer imperialistischen Politik. Giuseppe Verdi beunruhigten die Auswirkungen dieser Politik in Europa sehr. Der Deutsch-Französische Krieg verhinderte dabei während der Belagerung von Paris nicht nur die Auslieferung der Dekorationen von »Aida« nach Ägypten, sondern bestärkten Verdi auch in seiner tiefen Ablehnung jeglichen Nationalismus, vor allem aber jenem in deutscher Ausprägung unter Kaiser Wilhelm I. Seine Briefe geben darüber beredet Zeugnis. In diesem zeithistorischen Kontext kann man »Aida« als ein durchaus verzweifeltes, aber zutiefst dem einzelnen Menschen zugewandtes Werk verstehen, dass zwar noch die Fahne der bedingungslosen Liebe entgegen aller Raison hochhält, aber die Mechanismen der Macht – in Gestalt der Priesterschaft – und die Auswirkungen imperialistischer Kriegspolitik – ins Monströse übergesteigert auskomponiert im Triumphmarsch – schonungslos ausstellt.

Fritz Busch und die Verdi-Renaissance

Auch wenn die Werke von Giuseppe Verdi auf deutschen Bühnen und in Dresden immer (nach)-gespielt wurden: Im polit-ästhetischen Diskurs hatte es der Italiener vor allem gegenüber seinem Komponistenkollegen Richard Wagner, mit dem er weitaus mehr als nur das Geburtsjahr 1813 teilte, lange Zeit schwer. Im Diskurs wurden dabei »deutsche Tiefgründigkeit« gegen »italienische Oberflächlichkeit«, »Musikdrama« gegen »Oper«, »Harmonie« gegen »Melodie« und »Symphonik« gegen »Leierkastenmusik« ausgespielt. (Stellvertretend für viele diene hier ein Zitat von Richard Strauss von 1886: »Gestern Abend Aida, scheußlich. Indianermusik«) 1913 – dem 100. Geburtstag beider Komponisten – wurde in Deutschland Richard Wagners ausgiebig gedacht, Giuseppe fand nur gelegentlich Erwähnung. Aber in der Arena von Verona wurde zum ersten Mal »Aida« gespielt – und der Dichter Franz Werfel befasste sich mit einem Buchprojekt das schließlich 1924 unter dem Titel »Verdi. Roman der Oper« herauskommen sollte. Der Roman erdichtet eine nur knapp durch den Tod Wagners in Venedig verhinderte persönliche Begegnung der beiden Komponisten in der Lagunenstadt und setzt sich intensiv mit Verdis Überlegungen zur Oper und vor allem auch seinem Verhältnis zum Schaffen Richard Wagners auseinander. Quintessenz: Beide Ausprägungen, Oper wie Musikdrama, sind Kunstformen sui generis. 

Werfels unüberhörbare in dem Bestseller zum Ausdruck gebrachte Begeisterung für Melos und Zauber der menschlichen Stimme beförderte eine sich ändernde Wahrnehmung Giuseppe Verdis. Um den Werken auf den Bühnen aber zu einer Renaissance und Neubewertung zu verhelfen, brauchte es mehr als »nur« einen Roman. Franz Werfel machte sich daran, zum Teil dichterisch recht frei, neue deutsche Singfassungen von »Die Macht des Schicksals« (1925), »Simone Boccanegra« (1929) und »Don Carlos« (1932) zu erstellen. Weitere Übersetzungen waren geplant, kamen aber wegen der erzwungenen Emigration aus Deutschland nicht mehr zustande. 

Für die musikalische Welt selbst wurde der Dirigent Fritz Busch die treibende Kraft der Verdi-Renaissance. Während seiner Zeit als Generalmusikdirektor in Dresden von 1922-1933 standen zeitweise bis zu zehn Opern Giuseppe Verdis auf dem Spielplan – und sein Dirigat der »Macht des Schicksals« in der Fassung von Franz Werfel 1926 gilt als Markstein dieser Neubewertung. Weitere Verdi-Opern, die Fritz Busch selbst dirigierte waren »Othello«, »Falstaff«, »Amelia« (»Un ballo in maschera«), »Der Troubadour« und »Don Carlos«. Anlässlich dieser Premiere konstatierte Karl Schönewolf, Feuilletonchef bei den Dresdner Neuesten Nachrichten: »Von Fritz Busch geht ja ein gut Teil der aufblühenden Verdi-Renaissance in Deutschland aus. Mit den Verdi-Aufführungen unter Busch wurde die Dresdner Staatsoper maßgebend über die Grenzen des Reiches hinaus.« Und Fritz Busch selbst hielt in seinen Erinnerungen fest: »In jahrelangen Erfahrungen überzeugte ich mich davon, dass über den Begriff ‚Oper‘ ein weit verbreiteter Irrtum besteht. Man neigt dazu, sie für eine leicht zuzubereitende, dem Verderben kaum ausgesetzte Volksnahrung zu halten. Das Gegenteil ist richtig. Das ‚Oper‘ benannte Gesamtkunstwerk ist das anspruchsvollste und heikelste Erzeugnis, das menschlicher Kunsttrieb überhaupt hervorgebracht hat.«

Giuseppe Verdis »Aida« erlebte in der Ära Busch 1923 unter der Musikalischen Leitung des Ersten Kapellmeisters Hermann Kutzschbach seine erste Neuproduktion seit der Erstaufführung. Kutzschbach war bereits unter Ernst von Schuch zweiter Dirigent der Hofoper in Dresden. Und Ernst von Schuch war es, der die Dresdner Erstaufführung von »Aida« 1876 leitete. Das Werk war also an sich »Chefsache« … 1935 übernahm Karl Böhm schließlich die Musikalische Leitung der dritten Neuproduktion. Es ist also gute Dresdner Tradition, dass sich die »Chef«-Dirigenten, die allesamt selbstverständlich zusammen mit der Staatskapelle das romantische deutsche Repertoire in Konzert und Oper pflegten und fortschrieben, auch Giuseppe Verdis Werk befördern. Und gerade in »Aida« mit seiner überaus reichen musikalischen Textur, der Verbindung aus farbenreicher Orchestrierung, groß angelegten musikalischen Tableaux, intimen Szenen, prächtigen Chören, Raumklang und berückendem Melos gibt es viel auszuloten und zu entdecken.

Fritz Buschs Ära in Dresden endete bekanntlich auch mit Verdi. Der liberal denkende Künstler war den Nationalsozialisten früh ein Dorn im Auge. März 1933 eskalierte schließlich die Situation: Nachdem die Theaterfachgruppe der NSDAP am 7. März 1933 bereits am Nachmittag die Hakenkreuzfahne auf den Staatstheatern gehisst hatte, besetzte ihr Führungsmitglied Alexis Posse, seit 1921 Schauspieler am Dresdner Staatsschauspiel, mit einem SA-Trupp die Bühne der Semperoper und erklärte sich zum neuen Intendanten sowie Busch und die Theaterleitung für abgesetzt. Als Busch zur Abendvorstellung ans Pult trat, um »Rigoletto« zu dirigieren, wurde er von den zahlreichen im Zuschauerraum befindlichen NSDAP-Mitgliedern niedergeschrien. Statt seiner dirigierte der schon bereitstehende und in die Aktion eingeweihte Kapellmeister Kurt Striegler. Versuche, Fritz Busch zum Bleiben in Deutschland zu bewegen, blieben erfolglos: Noch 1933 verließ er mit seiner Familie das Land.

Von Ägyptomanie bis Art déco

Die so genannte »Ägyptomanie« ist zwar nicht so alt wie Ägypten … aber bereits in der Antike gibt es Zeugnisse einer Begeisterung für alles Altägyptische. Grundlegend für die moderne Ägyptenbegeisterung war die »Ägyptische Expedition« Napoleon Bonapartes von 1798 bis 1801. Dieser Kriegszug war militärisch zwar kein Erfolg; der umfassende Begleittross an Wissenschaftlern zur Erforschung und Akquise zahlloser Kunstwerke verstärkte die Vorliebe für die ägyptische Kultur in ganz Europa. Diese Mode reichte von Kleidung, Schmuck und Innenraumgestaltung bis zur Architektur. Eine literarische und auch für die Operngeschichte einflussreiche Publikation war in diesem Zusammenhang übrigens der französische Roman »Séthos« (franz Originaltitel: Séthos, histoire, ou Vie tirée des monumens, anecdotes de l’ancienne Égypte, traduite d'un manuscrit grec) des Gelehrten Abbé Jean Terrasson, der bereits 1731 veröffentlicht wurde und europaweit das Bild über das Leben und die Kulte im alten Ägypten nachhaltig prägte. So bezogen sich Emanuel Schikaneder und Wolfgang Amadeus Mozart in ihrer »Zauberflöte« von 1791 auf das Werk ebenso wie fast 100 Jahre später noch der Archäologe Auguste Mariette für seinen Entwurf für »Aida«.

Einen neuzeitlichen Schub für die Ägyptenbegeisterung im 20. Jahrhundert lieferte schließlich die Auffindung des Grabes des Tutanchamun durch den Ägyptologen Howard Carter im Jahre 1922 sowie 1924 die erste öffentliche Ausstellung (der bereits 1912 aufgefundenen) Büste der Nofretete. In Mode und Design der 1920er-Jahre, im so genannten Art déco, finden sich zahlreiche Referenzen an die altägyptische Kunst bis hin zu direkten Zitaten. Eleganz der Form, Kostbarkeit der Materialien und Stärke der Farben sowie stilisierte und flächige Darstellung organische und floraler Motive waren prägende Stilmerkmale.

Eine goldene Grabkammer

Der Bühnen- und Kostümbildner (sowie Regisseur und Maler) Ezio Toffolutti hat, ausgehend von der Setzung Katharina Thalbachs, die Handlung wie im Libretto angegeben, in »Ägypten« spielen zu lassen, einen Klang-Raum entworfen, der in abstrahierter Form an eine altägyptische Grabkammer erinnert. Prächtig in Gold gehalten, beinhalten die verschiedenen Räume teils in Miniatur Wiedergaben ägyptischer Gegenstände und Architekturen. In seiner farblichen Reduktion auf ein (facettenreiches) Gold, die enorme Höhe von 10 Metern und die Geschlossenheit der Architektur vermittelt und ermöglicht der Raum Monumentalität, Pracht und Repräsentanz von Macht ebenso wie Ausweglosigkeit, Kälte und Intimität.

In den Kostümen zitiert Ezio Toffolutti den stilbildenden Modeschöpfer Mariano Fortuny. Fortuny – der den Palazzo Pesaro degli Orfei (heute Palazzo Fortuny) in Venedig zum Zentrum seines Schaffens machte – arbeitete sehr vielseitig im Bereich der Mode, der dekorativen Künste und des Theaters. Berühmt wurde er vor allem für seine Stoffdesigns und plissierten Seidensatins, für die er sich durch Formen der Antike inspirieren ließ. Typisch für seinen Stil ist das berühmte Delphos-Kleid, das in der Verbindung edelster Materialien, handwerklich aufwändiger Produktion und weich fließender Linie das Bild der Frauen der 20er Jahre mitbestimmte. Seine Kundinnen waren die (Einfluss)-Reichen und Schönen der 1920er und 1930er Jahren wie u.a. Sahra Bernhardt, Luisa Casate, Isadora Duncan und Ruth St. Denis.

Archäologie der Gefühle

Regisseurin Katharina Thalbach musste nicht lange überlegen, ob sie »Aida« an der Semperoper inszenieren wolle. Drei Aspekte waren dabei früh festgelegt: Das Werk bleibt in Ägypten angesiedelt. Was Giuseppe Verdi gefreut hätte, denn ihm war die Verortung sehr wichtig, weshalb er nach der Uraufführung in Kairo und der Europäischen Erstaufführung in Mailand von seinem Verleger Giulio Ricordi eine ausführliche »Disposizione scenica« herausgeben ließ. Also eine Beschreibung der Dekorationen und Vorgänge der Inszenierung, die nach seinem Willen unbedingt eingehalten werden sollte … 

Während allerdings Giuseppe Verdi und seine Mitstreiter – angefangen bei dem Archäologen und Begründer des Ägyptischen Museums in Kairo Auguste Mariette, der die ersten Ideen zur Oper für den Khediven skizzierte – durchaus der Meinung waren, dass ihre Darstellung des alten Ägyptens, der Kulte und der Machtstrukturen jenseits der imaginierten Geschichte als wissenschaftlich belegt »richtig« anzusehen sind, ist heute klar, dass auch dies mehr Imagination als Wissenschaft widerspiegelt. Weder stimmen z.B. die Relationen der Orte Theben, Memphis oder die Schlucht bei Napata zueinander, noch hat es die beschriebenen Kulte wie die Feldherrenweihe, die Bestimmung eines Feldherrn durch ein Orakel oder die Todesstrafe des Lebendig-Begraben-Werdens gegeben. »Aida« hat mit Archäologie in etwas so viel zu tun wie »Indiana Jones« …  ist aber auf der Ebene einer »Archäologie der Gefühle« über die Befindlichkeiten Ende des 19. Jahrhunderts – aussagefähig:

Die drei zentralen Figuren gehören der Oberschicht ihrer jeweiligen Gesellschaften an: Aida – am Hofe des Pharaos im unmittelbaren Nahfeld der Pharaonentochter Amneris als Leibsklavin tätig – ist Tochter des Königs von Äthiopien. Radamès tritt als oberster Heerführer der Ägypter in Erscheinung, dem die Hand der Tochter des Pharaos angetragen wird. Amneris, Tochter des Pharao, lebt in der Erwartung, einst das Reich selbst zu führen. Das Leben dieser Figuren ist von Wohlstand und Macht und der Erfahrung geprägt, all das zu bekommen, was man sich wünscht … Und die Handlung der Oper setzt genau an dem Punkt ein, wo unsere Protagonisten entweder erfahren müssen, dass die Wunsch-Erfüllung prekäre Folgen haben wird (Radamès wünscht, Äthiopien zu erobern, um Aida zu beeindrucken; Aida wünscht, Radamès möge ihre Heimat besiegen … ) oder, dass die Wunsch-Erfüllung an den Grenzen der Gefühlen des Anderen scheitern: in der nicht erwiderten Liebe eines Radamès, wie es Amneris erkennen muss.

Es ist eine »Jeunesse dorée«, die einen vergeblichen doppelten Kampf führt: Gegen die unausweichlichen Mechanismen der Macht – verkörpert durch die Priesterschaft – und für einen Zugang zu ihren Gefühlen, für eine erfüllende interpersonale Liebe, die sich in Freiheit entfalten kann. Am Ende erfüllt sich die Liebe im utopischen Liebestod von Radamès und Aida, der Deckel über ihrem Grab schließt sich. Zurück bleibt Amneris in einem von all dem scheints unberührten Macht-Raum. Ihre letzten Worte lauten: »Pace, pace, pace …« 

Johann Casimir Eule

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