Oper

Les Contes d’Hoffmann / Hoffmanns Erzählungen

Jacques Offenbach

Opera fantastique in fünf Akten Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, Fassung von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck

Premiere 4. Dezember 2016

In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Veranstaltung liegt in der Vergangenheit
Veranstaltung liegt in der Vergangenheit
Veranstaltung liegt in der Vergangenheit
Veranstaltung liegt in der Vergangenheit
Info

  • Werkeinführung (kostenlos)
  • 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Opernkeller

  • Führungen in der Semperoper
    Info

    • Werkeinführung (kostenlos)
    • 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Opernkeller

    • Führungen in der Semperoper
      Info

      • Werkeinführung (kostenlos)
      • 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Opernkeller

      • Führungen in der Semperoper
      Info

      • Werkeinführung (kostenlos)
      • 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Opernkeller

      • Führungen in der Semperoper

        Stück-Info

        Die fantastische Oper »Hoffmanns Erzählungen« von Jacques Offenbach aus dem Jahr 1881 basiert auf Erzählungen des romantischen Dichters E. T. A. Hoffmann. Dieser erscheint auch höchstpersönlich als unglücklich verliebter Dichter in der Oper und nimmt so die Rolle des Erzählers ein. In einem raffinierten Vexierspiel zwischen Realität und Imagination begegnet er seinen eigenen literarischen Figuren: der Puppe Olympia, der Künstlerin Antonia und der Kurtisane Giulietta. Aber keine will sich als die ersehnte ideale Geliebte erweisen. Regisseur Johannes Erath geht in seiner assoziations- und illusionsreichen Bildsprache dem Schicksal eines Mannes nach, der seine Hand zwar sehnsüchtig nach der Liebe ausstreckt, doch zurückzuckt, wenn sie real zu werden droht.

        Handlung

        Erster Akt
        Die Muse stellt sich als Beschützerin von Hoffmann vor und kündigt an, gegen die Sängerin Stella um Hoffmanns Liebe und Kunst kämpfen zu wollen. Stella ist soeben als umjubelte Primadonna in Mozarts »Don Giovanni« zu Gast. Der düstere Lindorf kreuzt Hoffmanns Wege, wann immer diesem ein Unglück widerfährt. Er fängt einen von Stella an Hoffmann gerichteten Brief ab und verhöhnt die Frauen, die die erfolglosen Künstler ihm vorziehen. In geselliger Runde in Luthers Weinkeller wird derweil Hoffmann vermisst. Als er in schwermütiger Stimmung erscheint, bedrängt ihn die Gesellschaft, sie mit der Legende von Klein-Zack zu unterhalten. Hoffmann kommt der Bitte nach, verliert jedoch inmitten des Liedes den Faden und beschreibt statt des missgebildeten Zwergs das Traumbild einer Frau – Stella. Von Lindorf und den Freunden angestachelt, beginnt er, die Geschichten seiner drei Geliebten zu erzählen.

        Zweiter Akt
        Bei Monsieur Spalanzani begegnen Hoffmann und die Muse der unwirklich schönen Olympia. Hoffmann ist auf den ersten Blick fasziniert von ihr und missachtet die Warnungen seiner skeptischen Begleiterin. Da taucht der geheimnisvolle Coppélius auf, der »Augen« verkauft und auch mit Hoffmann ein Geschäft macht. Heimlich streiten Coppélius und Spalanzani um den Preis »ihrer« Olympia. Später stellt Spalanzani geladenen Gästen seine »Tochter« Olympia vor – alle zeigen sich begeistert von ihrer Perfektion, besonders aber Hoffmann, der ihr in einem ruhigen Moment seine Liebe gesteht. Beim gemeinsamen Walzer ist Olympia kaum zu bremsen, bis sie der betrogene Coppélius wutentbrannt zerstört. Erst jetzt erkennt Hoffmann, dass er sich in einen Automaten verliebt hat.

        Dritter Akt
        Sehnsüchtig wartet Antonia auf Hoffmann, mit dem sie einst gemeinsam musizierte, bevor ihr Vater Crespel mit ihr in eine andere Stadt floh und ihr das Singen verbot. Nach kurzem Wiedersehen mit Hoffmann wird dieser Zeuge einer mysteriösen Behandlung, die der unheimliche Doktor Miracle an Antonia vollführt. Hoffmann erfährt von Antonias Krankheit, die der jungen Frau den Tod bringt, wenn sie singt – an eben jener Krankheit starb schon Antonias Mutter, eine berühmte Sängerin. Hoffmann nimmt seiner Geliebten das Versprechen ab, nie mehr zu singen. Beide schwören sich ihre Liebe. Kaum ist Hoffmann jedoch verschwunden, erscheint Miracle, der Antonias Ehrgeiz weckt. Die Stimme ihrer Mutter im Ohr, lässt sich Antonia verleiten, wieder zu singen – und sie stirbt.

        Vierter Akt
        Hoffmann hat der Liebe abgeschworen, doch Giulietta ist es gewohnt, dass ihr jeder Mann verfällt. Mit der Aussicht auf einen funkelnden Diamanten als Lohn verspricht sie dem dämonischen Dapertutto, Hoffmann zu verführen und ihm sein Spiegelbild zu nehmen, so wie sie zuvor Schlemihl den Schatten raubte. Tatsächlich gelingt es ihr, Hoffmanns Leidenschaft zu wecken, bis er bereit ist, ihr das Geforderte zu überlassen, wenn er nur mit Giulietta vereint leben könne. Zu spät begreift er, dass er mit dem Verlust seines Spiegelbildes auch sich selbst abhanden gekommen ist.

        Fünfter Akt
        Die Muse erkennt, dass sich die drei Facetten der gescheiterten Lieben Hoffmanns – die Puppe, die Künstlerin, die Kurtisane – in einer einzigen Frau verbinden: Stella. Aber ausgebrannt von seinen Verlusten, findet Hoffmann nicht mehr zu ihr. Man sei groß durch die Liebe, doch größer durch die Tränen, verkündet die Muse. Doch Lindorfs Schatten liegt auf Hoffmanns Seele.

        Werkeinführung

        Es war Jacques Offenbach leider nicht mehr vergönnt, den Erfolg seines letzten Werkes »Les Contes d’Hoffmann / Hoffmanns Erzählungen« zu erleben. Hatte der Komponist als Schöpfer der nach ihm benannten »Offenbachiaden« einst das musikalische Unterhaltungstheater revolutioniert, so gelang ihm mit seiner musikalischen Hommage an den deutschen Dichter E.T.A. Hoffmann nicht nur ein facettenreiches Portrait des Künstlers als Dichter und Fantast, sondern vor allem auch höchst unterhaltsames Musiktheater zwischen Komik, Fantastik, Düsternis und romantischer Abgründigkeit. Dramaturg Johann Casimir Eule führt im Opernführer online in das Werk, seine Geschichte und die Inszenierung von Johannes Erath ein. 

        Porträtzeichnung des Chefdramaturgen Johann Casimir Eule
        Johann Casimir Eule, Chefdramaturg; Zeichnung nach einem Foto von Ludwig Olah

        Interview

        Das ständige Spiegeln in den Augen der Anderen

        Johannes Erath, Heike Scheele und Gesine Völlm im Gespräch

        Die Gestalt des Hoffmann beruht auf dem realen Dichter E. T. A. Hoffmann, erscheint in der Oper aber als fiktiver Charakter, der über sein historisches Vorbild hinausgeht. Wer ist diese Figur für euch?

        Johannes Erath Hoffmann ist ein Mann mit einer ausgeprägten Sensibilität und Vielschichtigkeit, der in Extremen leben muss. Er lebt die romantische Maxime »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« auf eine poetische, aber auch auf eine fatale Art, weil er dazu getrieben ist, immer etwas faszinierendes Neues anzufangen, ohne es zu Ende bringen oder wirklich etwas erschaffen zu können. Dadurch eröffnen sich Abgründe in seiner Persönlichkeit. Auf sich selbst zurückgeworfen, versucht Hoffmann, sich in der Anwesenheit anderer Menschen nicht alleine zu fühlen, und trotzdem erkennt er, dass er einsam ist. Und von Geschichte zu Geschichte wird er desillusionierter, frustrierter, verbitterter. Darunter schwelt eine wahnsinnige Angst. Das ist eigentlich der Grundmotor. Aber Angst hat immer mit Sehnsucht zu tun – wovor wir Angst haben, dort treibt es uns hin.

        Heike Scheele Hoffmann aber macht immer wieder kaputt, wonach er sich sehnt ...

        Johannes Erath Ja, das ist ein ganz wichtiger Aspekt seines Charakters: das Sehnen nach irgendetwas, es aber nicht ertragen zu können, wenn es eintritt – und deswegen dieses ständige Kaputtmachen. Bevor man ihm etwas zerstört, vernichtet er es lieber selbst. Daraus spricht auch eine unfassbare Verlustangst. Das ist vielleicht die Idiotie dieses Stückes: Zunächst scheint es, als würde ein anderer Hoffmanns Glück zerstören, aber beim näheren Hinsehen ist er es – unterbewusst – selbst. Dabei spielt die Frage nach Verantwortung und Schuld eine große Rolle.

        Das wird ja gern verwechselt, und daraus entsteht der Reflex, sein eigenes Versagen zu exterritorisieren, also es einem anderen in die Schuhe schieben zu müssen. Doch indem Hoffmann nicht die Verantwortung für sein Handeln übernimmt, sich scheinbar aus jeder Situation herausschleicht, bevor es für ihn zu heikel wird, und seine inneren Konflikte nach außen auf andere projiziert, schafft er sehr fantasievolle Figuren, die seinen Charakter für uns klarer definieren. So, wie er die Figuren um sich herumbaut, erzählt er uns wahnsinnig viel darüber, wer er selbst eigentlich ist.

        Heike Scheele Spannend an unserer Sichtweise finde ich allerdings auch, dass die beiden Antipoden, die Hoffmann zur Seite gestellt sind, die Muse und der »große Schwarze«, eine größere Gewichtung bekommen, als wir es in anderen Inszenierungen von »Les Contes d’Hoffmann« erleben konnten ...

        Johannes Erath Mir ist beim zweiten Hinschauen viel klarer geworden, dass sie sich auch wechselseitig bedingen. Diese beiden Figuren werden ja schon eingeführt, bevor wir die »reale« Ebene des Stückes betreten, und sie ziehen sich durch das ganze Stück, kommunizieren aber miteinander so gut wie nie. Das bedeutet doch etwas? Warum gehen sich diese zwei Kräfte aus dem Weg? Vielleicht, weil sie Gegenkräfte schlechthin sind oder weil sie sich bedingen und deswegen auch kein Austausch möglich oder nötig ist.

        Heike Scheele Das ist sehr faustisch. Mephisto sagt: »Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.« Und dieses Prinzip verkörpern die Muse und die Gegenspieler für uns.

        Gesine Völlm Ich sehe da auch schon einen vorpsychologischen Einfluss: Der »große Schwarze« kommt mir vor wie das dunkle Unbewusste, die Muse hingegen die helle Seite, das Über-Ich. Hoffmann versucht diese seine Dämonen erfolglos zu bannen, indem er eine Verschmelzung mit dem Weiblichen sucht – und zum Scheitern verdammt ist.

        »Hoffmanns Erzählungen« ist ganz vielfältig lesbar – als Gruselgeschichte des  »Gespenster-Hoffmann« oder aber auch als psychologische Studie. Wie fasst ihr die Oper auf?

        Johannes Erath Das Stück ist generell ein Sowohl-als-auch, da es so viele Facetten hat. Die Geschichten überlappen sich und spalten sich ab ...

        Heike Scheele ... und sind ineinander verschachtelt ...

        Gesine Völlm ... und zersplittert. Das Faszinierende, aber auch Anstrengende daran ist, sich zu entscheiden, welche Brocken man miteinander in Beziehung setzen möchte.

        Heike Scheele So kamen wir schnell auf das Prinzip, Räume ineinander zu schachteln, scheinbar gleich und doch nicht gleich. Und in den Ritzen dazwischen taucht das Unheimliche auf, ...

        Johannes Erath ... was auch das Parallelerzählen von subjektiven »Realitäten« ermöglicht.

        Gleichzeitig haben wir in »Les Contes d’Hoffmann« aber auch immer das komische Element.

        Gesine Völlm Ich entdecke das Komische vor allem in der Musik, als Kommentarebene. Das ist es, was das Existenzielle an dem Stück erträglich macht.

        Heike Scheele Es ist zwischendurch immer wieder erleichternd, ein Aufatmen ...

        Johannes Erath ... aber auch eine Übersprungshandlung. Wenn man alles andere nicht mehr erträgt, dann entsteht ein Humor, der viel mit Selbstironie zu tun hat. Humor kann etwas Heilendes sein. Aber ich glaube, er erzählt vor allem etwas über die Sprunghaftigkeit dieses Charakters. Hoffmann hat keine Übergänge. Er springt – und das ist das Faszinierende.

        Die »originalen« Erzählungen E.T.A. Hoffmanns genauso wie Hoffmann als Vertreter der Schauerromantik scheinen urdeutsch zu sein. Was macht die französische Sprache mit diesem Stoff?

        Johannes Erath Im Gegensatz zu anderen deutschen Stoffen, die von französischen Komponisten vertont wurden, wie zum Beispiel Gounods »Faust« oder Massenets »Werther«, die nur noch bedingt etwas mit den Werken Goethes zu tun haben, erscheint mir Offenbach sehr nah an Hoffmanns Geschichten geblieben.

        Gesine Völlm Vielleicht liegt das einerseits daran, dass Offenbach ein ungeheurer Theatraliker ist, der das Theatermachen liebte und dadurch den direkten Zugriff auf diese Erzählungen fand, ohne sie zu parfümieren. Andererseits war der romantische Geist, der in den Geschichten dieses großen deutschen Erzählers schwebt, gar kein so ausschließlich deutscher, sondern vielmehr ein paneuropäischer.

        Johannes Erath Diese Assimilierung, ohne die eigentliche Identität zu verlieren, wie es Offenbach gelungen ist, das ist mir sehr nah. Durch das Französische in »Les Contes d’Hoffmann« gibt es allerdings eine Form der Verfremdung, die es ein Stück geheimnisvoller macht. Ich kann es mir eigentlich gar nicht auf Deutsch vorstellen. Durch den kurzen Transfer in der Sprache, schaffe ich es vielleicht sogar noch besser, das Geschehen an mich heranzulassen. Denn das Stück funktioniert eigentlich nicht über den Kopf, sondern übers Herz. Die Musik geht sowieso nicht über den Intellekt, sondern direkt über die Emotionen, sie ist dadurch natürlich noch viel manipulativer. Die deutsche Sprache aber würde wieder rektifizieren mit ihrer Direktheit. Die französische Sprache hingegen gleitet mehr und hat etwas Subkutaneres.

        Heike Scheele Und sie fügt dem Ganzen eine große Leichtigkeit hinzu.

        Johannes Erath Diese Sprache passt sehr gut zu E. T. A. Hoffmann, denn der lebte in der Ambivalenz, in seinem Alltag wie in seinen Werken – genauso wie das Französische, in dem man vieles so oder so verstehen kann. Wir Deutschen haben für alles ein eigenes Wort, sogar Wortzusammensetzungen, um es millimetergenau auf den Punkt zu bringen. Im Französischen hat man viel öfter für mehrere Sachen einen Begriff und kann so viel schönere Wortspiele machen, jemanden mittels der Sprache auf das Glatteis führen, aber auch etwas verblümt sagen.

        »Les Contes d’Hoffmann« ist ein Stück voller interpretatorischer Finessen und gleichzeitig von überbordender Fantasie, das den Theaterzauber scheinbar geradezu herausfordert. Eine Traum-Oper für jeden Regisseur, Bühnenbildner und Kostümbildner?

        Gesine Völlm Das würde ich von jedem und keinem Stück behaupten, weil es natürlich auf den Zugriff ankommt.

        Johannes Erath Das Fantastische ist ja kein Freibrief, sondern kann vielmehr eine Gefahr sein, ...

        Heike Scheele ... beliebig zu werden und das Inhaltliche zu verlassen, um schöne Formen zu finden. Das hat dann etwas sehr Selbstreferentielles. Aber ich hoffe, wir haben die Gratwanderung geschafft, dass alles mit Inhalt unterfüttert ist und dass man Andockpunkte findet.

        Johannes Erath Wir spielen auf jeden Fall mit Erwartungshaltungen, was das Stück betrifft, und da ist auch nicht alles so, wie es scheint.

        Gesine Völlm Es ist vielmehr ein fragmentarisches Puzzle, das dem Werk sehr entspricht – und das in der Erarbeitung großen Spaß gemacht hat.

        Johannes Erath Und das natürlich eine große Lust wecken soll, was Theaterzauber alles machen kann.

        Die Fragen stellte Anne Gerber.

        Empfehlungen